Alle Hoffnungen begraben

Das Scheitern der Rekruten: „Kopf oder Zahl – Yazi Tura“, der Debütfilm des türkischen Regisseurs Ugur Yücel, erzählt von den Folgeschäden des türkisch-kurdischen Konflikts

Der Film hat überzeugende Bilder für das Trauma des Kurdenkonflikts, den er als sinnlosen Bruderkrieg zeigt

Vor sechs Jahren erschien in der Türkei ein Buch, das für Furore sorgte: „Mehmets Buch“ versammelte Erfahrungsberichte junger Rekruten, die in der türkischen Armee gegen die kurdische Guerilla kämpften und nun von den körperlichen und seelischen Folgen dieses schmutzigen Kriegs erzählten. Viele litten an ähnlichen Symptomen und Gewissensqualen, wie man sie aus Zeugnissen amerikanischer, israelischer oder russischer Soldaten kennt, die im Irak, im Libanon und Palästina oder in Tschetschenien eingesetzt waren.

Es scheint, als hätte „Mehmets Buch“ die Folie gebildet für „Kopf oder Zahl– Yazi Tura“, den Debütfilm des türkischen Regisseurs Ugur Yücel. Der Film spielt im Jahr 1999 und erzählt von zwei Soldaten, die zusammen in einer Einheit gegen kurdische Rebellen eingesetzt waren. Einer der beiden, Ridvan (Olgun Simsek), hat dabei sein rechtes Bein verloren, weil er auf eine Mine trat. Zurück in seinem Heimatdorf muss er feststellen, dass er, einst ein viel versprechendes Fußballtalent, durch seine Behinderung zum Außenseiter geworden ist. Selbst seine engsten Freunde und die Verlobte, die ihm einst versprochen worden war, wenden sich von ihm ab.

Der andere, Cevher (Kenan Imirzalioglu), versucht sein Glück in Istanbul, wo er einen Kiosk eröffnen möchte. Doch das Erdbeben, das in jenem Jahr die Türkei erschütterte, trifft auch ihn: Es begräbt nicht nur seinen Onkel, sondern auch den Traum vom eigenen Laden unter sich.

Während die Geschichte von Ridvan in ruhigen, fast lakonischen Bildern erzählt wird, die der ereignislosen Tristesse seines anatolischen Dorfes entsprechen, ist es bei Cevher eine betont hektische Handkameraführung, die dem Weg des Protagonisten durch die Randgebiete der Großstadt folgt. Nicht nur das Tempo wirkt dabei dick aufgetragen, auch die Geschichte wirkt überladen: Denn nach dem Erdbeben kommt es zur unverhofften Familienzusammenführung, als Cevhers Vater plötzlichen Besuch von einer griechischen Exfreundin aus Athen bekommt. So lernt Cevher, dass er einen Halbbruder besitzt, der sich darüber hinaus noch als schwul entpuppt.

Weil der Film überzeugende Bilder für das Trauma des Kurdenkonflikts findet, den er als einen sinnlosen Bruderkrieg zeigt, ist er in der Türkei zu Recht gefeiert und mit Preisen überhäuft worden. Dass der Regisseur aber auch noch von der Annäherung Griechenlands, die sich nach dem Erdbeben in einer Welle ungekannter Hilfsbereitschaft äußerte, sowie den tabuisierten Umgang mit Homosexualität in der Türkei erzählen will, ist des Guten zu viel. „Kopf oder Zahl“ dürfte für ein deutsches Publikum wohl mehr aus politischen denn aus filmischen Gründen interessant sein. DANIEL BAX

„Kopf oder Zahl – Yazi Tura“, Regie: Ugur Yücel. Mit Kenan Imirzalioglu,Olgun Simsek u. a. Türkei 2004,110 Minuten