Mit dem Zirkus davonlaufen

Der spanische Jongleur Manuel Alvarez (50) ist seit elf Saisons beim Zirkus Roncalli, der derzeit in Bremen gastiert. Er erzählt vom Leben in der Manege

„Ich war mein ganzes Leben lang in der Manege. Ich bin die fünfte Generation aus meiner Familie, die im Zirkus auftritt. Mit sieben Jahren habe ich angefangen zu jonglieren, aber schon lange vorher bin ich als kleiner Clown im Zirkus meines Großvaters aufgetreten.

Viele Leute sehen den Zirkus nur so: Artisten sind reich, kennen viele Länder, sind immer unterwegs – dieses Bohème-Leben ist ein Traum für sie. Aber weil ich aus einer Zirkus-Familie komme, habe ich von klein auf alles gesehen und gemacht, was noch dazugehört: Den ganzen Um- und Abbau, die Beleuchtung, die Requisite, das Plakatieren und vieles andere.

Es gibt jedoch immer mehr Artisten, die nicht aus Zirkus-Familien kommen und dieses Leben nicht von klein auf kennen. Wir sind immer offen für Leute, die von außerhalb kommen, weil sie gute neue Ideen bringen können.

Aber ich habe auch schlechte Erfahrungen gemacht: Sicher nicht alle, aber viele dieser Leute kommen her, wollen nur ihre Nummer machen – und sonst nichts. Wir haben hier im Zirkus auch einige Künstler, die besondere Privilegien wollen und nicht kapieren, dass ein Zirkus auch außerhalb der Manege Hilfe braucht. Sie akzeptieren nicht, dass sie genau wie die Original-Zirkusleute auch Extra-Aufgaben erledigen müssen. Ich finde das nicht korrekt, weil es keinen Respekt vor den anderen Leuten zeigt, die hier alles machen. Obwohl sie gute Artisten sein können, kennen diese Menschen das Zirkusleben nicht: Weil sie hier mit falschen Vorstellungen ankommen, gehen sie dann auch oft schnell wieder – manche haben schon nach zwei oder drei Jahren wieder mit dem Zirkus aufgehört.

Aber jemand wie ich, der den Zirkus und dieses Leben liebt, wird sich niemals davon verabschieden. Das Publikum will jedoch junge schöne Leute sehen. Ich weiß, dass ich irgendwann nicht mehr jonglieren kann, wenn meine Reflexe nicht mehr so gut sind und ich nicht mehr schnell genug bin. Aber im Zirkus kann man auch arbeiten, ohne in die Manege zu gehen, ich könnte zum Beispiel im Büro sitzen und den Papierkram erledigen. Selbst, wenn ich ganz aus dem Geschäft aussteigen müsste, würde ich auf jeden Fall mit dem Zirkus in Kontakt bleiben.“ PROTOKOLL: Ulrike Schröder

Zirkus Roncalli gastiert bis zum 4.12. auf der Bürgerweide. Karten: ☎ (04 21) 63 92 90