Tod auf dem Vormarsch

Welt-Aids-Tag am 1. Dezember: Die HIV-Infektionszahlen steigen weiter an. Tut Hamburg genug, um den Kampf gegen Aids zu gewinnen?

„Die Stadt braucht ein politisches Konzept zur Aids-Bekämpfung“

von Marco Carini

Die Zahlen sind alarmierend. In Hamburg steigt die Zahl der HIV-Neuinfektionen weiterhin an. Allein in diesem Jahr haben sich nach Schätzungen des Robert-Koch-Institutes etwa 200 Menschen das Virus eingefangen. Üblicherweise liege die Zahl, so die Gesundheitsbehörde, bei 100 bis 150 neu Infizierten. Besonders betroffen: davon sind homosexuelle Männer im Alter von 25 bis 29 und zwischen 40 und 45 Jahren.

Als Gründe dafür sieht Gesundheitsstaatsrat Dietrich Wersich ein „schwindendes Gefahrenbewusstsein“ in der schwulen Community. Dabei habe auch die bessere Behandelbarkeit von HIV und Aids dazu beigetragen, die Folgen der unheilbaren Infektion „zu verharmlosen“.

Ein zweiter Ansteckungs-Schwerpunkt liege bei den Migranten, die aus Ländern stammen, in denen die Immunschwäche wesentlich stärker verbreitet ist als in der Bundesrepublik. Hier will die Gesundheitsbehörde 2006 mit 38 besonders geschulten zweisprachigen „Gesundheitsmediatoren“ direkt an die Betroffenen in ihren Unterkünften herantreten. „Broschüren erreichen diese Zielgruppe nicht“, weiß Wersich. Deshalb müsse der unmittelbare „Wort zu Wort-Kontakt“ im Zentrum der Bemühungen stehen.

Trotz dieses Zusatzangebots plant die Gesundheitsbehörde bei der Aids-Prävention für das kommende Jahr die einschneidendsten Kürzungen, die es in diesem Bereich je gegeben hat. Um rund 110.000 Euro – so die Behörde – oder 180.000 Euro – wie die GAL ausgerechnet hat – will der Senat die gut eine Euromillion starken Fördermittel für die Hamburger Aids-Hilfsorganisationen eindampfen. Es gebe indes „einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß von Prävention und der Zahl von Neuinfektionen“, warnt angesichts dessen der Aids-Experte der GAL, Farid Müller.

Die Hamburger Grünen fordern die Landesregierung auf, alle in diesem Bereich beschlossenen Kürzungen rückgängig zu machen. „Wir haben in den vergangenen Jahren nur eine Stelle im Aids-Hilfesystem streichen müssen“, hält Wersich dagegen. Damit „den Anstieg der Neuinfektionen erklären zu wollen“, hält er für „abenteuerlich“. Vielmehr sei der Anstieg der Infektionszahlen „ein nationaler und Internationaler Trend“.

Bei den Kürzungen im laufenden Jahr sei es nur um „die Absenkung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes“ bei den Trägern der HIV-Hilfsangebote gegangen, erläutert Dräger. Dass diese aber aus tarifrechtlichen Vereinbarungen heraus in laufenden Arbeitsverträgen nicht einfach umsetzbar sei und somit den Trägern enorme Probleme bereite, betont der Projektleiter der Hamburger Aids-Hilfe, Jörg Korell. Dadurch würden, so Korell, „die Träger gegen die Wand gefahren“.

Korell und Müller fordern nun vom Senat nicht nur eine Rücknahme aller Kürzungen, sondern auch mehr Freiheiten bei der Bezahlung ihrer Mitarbeiter und bei der Drittmitteleinwerbung, um so den Umfang der laufenden Arbeit zu erhalten. Zudem brauche die Stadt dringend ein „politisches Handlungskonzept“ für die Aids-Bekämpfung. Denn zurzeit, sagt Müller, kenne der Senat nur drei Reaktionen auf die Bedrohung: „entwarnen, verharmlosen, verdrängen“.