Die zerstreute Rosa Luxemburg

Für das Luxemburg-Denkmal werden Zitate wie ein Mikadospiel auf dem gleichnamigen Platz verteilt. So richtig vorstellen kann sich das keiner

Rosa Luxemburg ist für Haacke vor allem eine „komplizierte Person“

von Tina Hüttl

Zur Präsentation des Entwurfs für das Rosa-Luxemburg-Denkzeichen hatte die Senatskulturverwaltung am Montagabend in die Volksbühne geladen. Präsentiert wurden aber nur der Künstler Hans Haacke – immerhin extra aus New York eingeflogen – sowie eine laue Diskussion über das Für und Wider seines Konzepts. Vom künftigen Luxemburg-Denkmal gab es dagegen noch nichts zu sehen.

Ebenso abstrakt – und darüber hinaus sinnlos – blieb auch die Debatte, an der sich unter der Moderation des Journalisten Mathias Greffrath der Künstler, der Intendant der Volksbühne, Frank Castorf, sowie zwei Jury-Mitglieder aus der vom Kultursenat einberufenen Denkmalskommission beteiligten. Die wieder aufgewärmten Kontroversen um Hans Haackes umstrittenes Denkzeichen waren schlicht überholt. Nach mehreren Wettbewerbsrunden, und nunmehr seit knapp einem Jahr, steht dessen Realisierung schließlich fest.

Wenn der Frost vorbei ist, sollen die ersten Betonbalken mit Luxemburg-Zitaten in den Boden eingelassen werden, informierte Greffrath. Noch aber dominieren auf dem Platz vor der Volksbühne Reste von Schnee und Matsch – und natürlich Bagger, die seit Monaten das gesamte Areal aufwühlen.

Wer eine Ahnung von dem Denkzeichen für die 1919 ermordete Mitbegründerin der KPD bekommen wollte, musste vor der Veranstaltung mitten auf der Baustelle herumirren. Dort hat der Kultursenat in einem kleinen Glaspavillion, der sich rechts vom Eingang neben der Volksbühne versteckt, ein paar Papierstreifen ausgestellt. Sie illustrieren stellvertretend die Betonbalken mit Rosa-Luxemburg-Zitaten aus Bronzebuchstaben.

Schon leicht angeknittert hängen die meterlangen, bedruckten Spruchbänder von der Decke des Glashäuschens auf den Boden. „Unser herrschender ‚Marxismus‘ fürchtet leider jeden Gedankenflug wie ein alter Gichtonkel. Rosa Luxemburg (1913)“ ist da beispielsweise zu lesen. Rings herum auf den Scheiben des Pavillions sind ein paar Fotos von Baggern und Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei.PDS) angepinnt. Irgendwo – so sieht man zumindest auf einem der Bilder – ist bereits ein Betonelement in den Bürgersteig versenkt. Mehr aber nicht. Ein Gesamteindruck des künftigen Denkzeichens bleibt der Vorstellung überlassen und dem, was der Künstler zu erzählen hatte.

Hans Haacke, der seit 1965 in New York lebt, schien während der Diskussion etwas jet-lagged, sein Deutsch leicht eingerostet. Doch er bemühte sich sichtlich, seine Idee zu bebildern: Wie die Stäbchen eines Mikadospiels habe er eine Auswahl von Zitaten über den Rosa-Luxemburg-Platz streuen wollen, erklärte er. Kreuz und quer von der Fahrbahn über den Gehweg sollen um die 100 wichtige Aussagen der Sozialistin für Passanten lesbar sein. Gerade das Zufällige, Verwirrende entspreche dabei dem Wesen ihrer Schriften, Briefe und Reden. Für Haacke, der sich, wie er gesteht, sehr kurzfristig in einer New Yorker Bibliothek in Rosa Luxemburgs Leben und Werk eingelesen hatte, ist sie weniger die „politische Gallionsfigur“ als eine „sehr komplizierte Person“. Zeitlebens habe sie sich an der kommunistischen Partei gerieben, in ihrem politischen Werk seien die Widersprüche nicht zu übersehen. Sie mit seinem Denkzeichen zu einer Ikone des Sozialismus zu erheben, lag ihm fern.

Die Stimmung im Publikum war gelöst, beinahe so, als ob es schon die Eröffnung des Platzes zu feiern galt. Bei Wein, Bier und Pfeife lauschten die Gäste, viele aus Medien und Kultur. Vor dem grünen Samtvorhang stellte Greffrath ambitionierte Fragen an die Diskutanten und erhielt abgedroschene, weil schon zuvor gehörte Antworten.

Wäre nicht Kultursenator Flierl überraschend erkrankt, hätten fünf ergraute Männer über das Andenken an Frau Luxemburg debattiert. So waren es nur vier Männer. Die Alibi-Frau hieß Stefanie Endlich, ist Professorin an der Kunsthochschule und war eine der Preisrichterinnen. Sie referierte über die lange Vorgeschichte für den Denkmalsplan. Bereits in den 50er-Jahren habe man in der Stadt an einem zentralen Ort an die Sozialistin erinnern wollen. Keines der existierenden Luxemburg-Denkmäler, die entweder an marginalen oder biografisch aufgeladenen Orten ihrer Ermordung stehen, würden ihr gerecht, so ihre Einschätzung.

Aktuell wurde die Initiative erneut mit den rot-roten Koalitionsvereinbarungen, in denen schließlich die Auslobung eines Wettbewerbs 2003 festgehalten wurde. Dieser verlief nicht ganz reibungslos. Nachdem 22 Entwürfe eingereicht wurden, lud die Jury nachträglich vier Künstler extra ein – darunter auch den Gewinner Haacke, der durch seine Installation „Der Bevölkerung“ im Reichtag bekannt ist.

Einigen Preisrichtern missfiel Haackes Konzept, etwa Frank Castorf, der auch an diesem Abend in seiner Rolle als Advocatus Diaboli blieb. Was ihn stört, sei die „Endgültigkeit von Thesen, die jemand vorkaut“. Zum Schluss analysierte Castorf noch folgerichtig: Wer die Zitate lese, bücke sich in Richtung Boden. „Luxemburg predigte jedoch stets den aufrechten Gang.“