Arbeitsämter vermitteln Chaos

Nirgends in Deutschland herrscht auf Arbeitsämtern ein solches Durcheinander wie in Berlin, sagt die Techniker Krankenkasse. Betroffene klagen über schlechte Betreuung. Arbeitsagentur: „Einzelfälle“

von ULRIKE HEIKE MÜLLER

Probleme mit den Berliner Arbeitsämtern haben nicht nur viele der 300.000 Arbeitslosen, sondern auch die Krankenkassen. Allein bei der Techniker Krankenkasse (TK) sind 40 Prozent aller Meldungen der Jobcenter falsch. „Bei den Berliner Arbeitsagenturen und Jobcentern herrscht das reine Chaos“, sagt Thomas Hansen, Leiter des TK-Beitragszentrums in Berlin. „Bundesweit haben wir in Berlin die höchste Fehlerquote.“

Die Probleme der TK spiegeln den allgemeinen Zustand der Berliner Arbeitsverwaltung im Zuge der Hartz-IV-Reform durchaus repräsentativ wider: Als bundesweite Krankenkasse hat sie einen Überblick über ganz Deutschland, denn zum Tagesgeschäft gehört die An- und Abmeldung von Arbeitslosen in der Krankenversicherung.

Die Mitarbeiter der Arbeitsamt-Hotline nehmen Fragen und Probleme der Betroffenen auf, aber die Mitarbeiter in den Jobcentern und Arbeitsagenturen kommen mit deren Bearbeitung nicht hinterher. Arbeitslose klagen, dass sie häufig keinen Ansprechpartner in den Jobcentern oder Arbeitsagenturen hätten, wenn es Probleme mit ihren Anträgen gebe. Akten blieben unbearbeitet liegen.

Die Spitze des Eisberges sind Betroffene, denen die Hilfeleistung nicht ausgezahlt wird, obwohl sie ihnen gesetzlich zusteht. Susanne Kurz (Name geändert) zum Beispiel ist Alg-II-Empfängerin. Sie wartete fünf Wochen vergeblich auf ihr Geld. Nachdem sie die Angelegenheit telefonisch nicht klären konnte, wurde sie im zuständigen Jobcenter in der Storkower Straße zweimal vorstellig. Nach jeweils mehreren Stunden Wartezeit hätten sie die Mitarbeiter unverrichteter Dinge wieder wegschicken wollen. Erst nachdem sie insistierte, sie bräuchte das Geld für Lebensmittel, nahm sich eine Mitarbeiterin ihrer an. „Es stellte sich heraus, dass meine Akte verschwunden ist“, sagt Kurz. Sie bekam schließlich ihr Geld.

„Es gibt Probleme“, sagt Olaf Möller, Sprecher der Landesarbeitsagentur. Man könne allerdings nur von Einzelfällen sprechen. Ursache dafür sei die Software in den Ämtern – und die stelle die Nürnberger Zentrale zur Verfügung. Ungeklärt bleibt jedoch, warum Betroffenen die ihnen zustehende Unterstützung häufig erst erhalten, wenn sie die Sache selbst in die Hand nehmen und auf den Ämtern die Bearbeitung forcieren.

Die von der TK genannte Größenordnung kann die Geschäftsführung der Regionaldirektion nicht nachvollziehen. Das gilt ebenfalls für die Einschätzung der TK, dass in Berlin chaotische Zustände herrschten und die hiesigen Jobcenter bundesweit die meisten Falschmeldungen produzierten. Laut der Krankenkasse gebe es in Hamburg, Nordrhein-Westfalen und den fünf Ost-Bundesländern auch große Probleme; allerdings nicht in der Dimension wie in Berlin. Neben internen Gründen spielten die hohen Arbeitslosenquoten eine Rolle. Besser laufe es in München, Stuttgart und Frankfurt.

Für die TK sei die mangelhafte Arbeit der Berliner Arbeitsämter „verheerend“, sagt Hansen. Wie die Betroffenen erreichten auch die TK-Mitarbeiter oft niemanden in den Arbeitsämtern. „Uns entsteht so ein enormer zusätzlicher Arbeitsaufwand. Unsere Mitarbeiter müssen deshalb samstags arbeiten, denn umgerechnet auf eine Person bringen uns die fehlerhaften Meldungen 400 zusätzliche Arbeitstage.“ Er fordert von den Jobcentern, falsche Anträge zügig zu bearbeiten und schnellstmöglich die Software-Probleme zu beheben.