„Totale Kontrolle“

Bei der Einführung des Qualitätsmanagements geht die FU nach dem Rasenmäherprinzip vor, sagt Bodo Zeuner

taz: Herr Zeuner, was halten Sie von dem Streikbeschluss der Studierenden?

Bodo Zeuner: Der Beschluss drückt Unruhe, Protest und Verzweiflung aus. Streik ist bei Studierenden ja nicht Druckausübung durch Leistungsverweigerung, sondern ein befristeter Boykott. Studierende funktionieren ihre Lehrveranstaltungen um. Sie protestieren, um etwas Neues zu entwickeln. Das finde ich legitim. Es war in der Vergangenheit nicht selten sogar produktiv. Unproduktiv wäre es, durch Besetzungen und Blockaden überflüssige Fronten zwischen denen zu schaffen, die eigentlich dasselbe wollen.

Teilen Sie auch inhaltlich die Kritik der Studierenden?

Ja – jedenfalls in der Tendenz. In Bezug auf die BA- und MA-Studiengänge fürchte ich, dass deren zunehmende Dominanz eine Aufteilung der Studierenden bewirkt: In die große Masse, die in den schulähnlichen Kursen des BA nur noch Wissenschaftsanwendungswissen erwerben soll – und in eine kleine Elite. Die darf dann im MA lernen, selbstständig wissenschaftlich zu arbeiten.

Wie sieht die Situation an Ihrem Institut aus?

Das Präsidium hat die Absicht, unseren Diplomstudiengang ab 2007 auslaufen zu lassen und nur noch BA und MA zu erhalten – mit den zuvor genannten Folgen. Noch haben die Studierenden bei uns eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Kurzstudium des BA und dem Diplom. Wir möchten diesen Wettbewerb der Studiengänge erhalten. Das FU-Präsidium will aber den Diplomstudiengang einfach streichen. Ich verstehe das nicht: Gerade Präsident Lenzen, der ja auch für die von den Arbeitgebern getragene „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ auftritt, plädiert sonst für mehr Wettbewerb.

Wie beurteilen Sie das „Campus Management“?

Was das „Campus Management“-System angeht, ist die FU stolz, es als erste deutsche Universität eingeführt zu haben. Diese Position des Klassenprimus hat ihren Preis: Studierende wie Lehrende nehmen die neuen Anforderungen als totale Kontrolle, schematische Reglementierung, unerträgliche Verschärfung des Arbeitsdrucks und Drohung mit Zwangsexmatrikulation wahr. Schlimm ist der administrative Rasenmäherzentralismus, mit dem die Sache an der FU bisher durchgezogen wurde.

Das Präsidium der Freien Universität hat an einigen Stellen Nachbesserungen versprochen.

Das ist offensichtlich ein erster Erfolg derer, die mit Streik gedroht haben.

Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Umsetzung?

Beim „Campus Management“ mussten wir uns mit Händen und Füßen gegen den schematischen Zentralismus wehren. Die FU-Zentrale hatte völlig unmögliche Abgabe- und Korrekturfristen für Hausarbeiten vorgeschrieben, die Anfang letzter Woche noch verkürzt werden sollten. Dann wären wir mit dem Fachbereich aus dem „Campus Management“ ausgestiegen. Nun hat das Präsidium sogar eine Erweiterung der Fristen in Aussicht gestellt. Es geht also plötzlich!

Sie reden von einem „schematischen Zentralismus“. Wie stark sind die Institute in Entscheidungen einbezogen?

Dazu ist die Streitfrage um das Diplom am OSI ein gutes Beispiel: Bereits im Juni hat die FU-Leitung einen Vertrag mit dem Senat abgeschlossen, den sie als Verpflichtung zur Abschaffung des Diploms versteht. Wir haben erst vor kurzem davon erfahren und denken, dass man diesen Vertrag auch anders interpretieren kann. Ich habe vom Institutsrat des OSI den Auftrag, alles dafür zu tun, dass der Wettbewerb der Studiengänge erhalten bleibt. Die neuesten Mitteilungen des Präsidiums verstehe ich so, dass darüber verhandelt werden kann.

Interview: Martin Kaul