„Ostwind der Barbarei“ weht im Tschad

Schwere Kämpfe an der Grenze zwischen Tschad und Sudans Kriegsregion Darfur bringen den tschadischen Präsidenten Idriss Déby in Bedrängnis. Sudan wirft ihm die Unterstützung der Darfur-Rebellen vor. Aber das ist nicht sein einziges Problem

VON DOMINIC JOHNSON

Tschad, das im Osten an Sudans Kriegsregion Darfur angrenzt und hunderttausende Flüchtlinge von dort aufgenommen hat, wird nun selbst von Krieg erschüttert. Bewaffnete Rebellen einer „Sammlung für Demokratie und Freiheit“ (RDL) haben am Wochenende die Einnahme der osttschadischen Grenzstadt Adré gemeldet. In einer Erklärung rief die Rebellengruppe die Bevölkerung auf, dem „treulosen Regime“ des „kriminellen“ Präsidenten Idriss Déby den „Gnadenstoß“ zu versetzen. Die RDL habe zwei Kampfhubschrauber abgeschossen, hieß es weiter. Die Regierung sprach von 100 Toten und behauptete am Sonntagabend, sie habe Adré zurückerobert. Dies wurde von Hilfswerken in der Region dementiert.

In Sudans Hauptstadt Khartum hatte sich im Oktober ein tschadisches Rebellenbündnis „Nationale Widerstandsallianz“ (ANR) konstituiert, als deren Militärführer RDL-Chef Mohamat Nour genannt wurde. Tschads Regierung wirft der Regierung des Sudan seit Jahren vor, bewaffnete tschadische Oppositionelle zu unterstützen, und Sudan bezichtigt Tschads Präsident Déby der Unterstützung der Rebellen in Darfur. Denn Déby gehört der Ethnie der Zaghawa an, die in Darfur gegen Sudans Regierung rebelliert.

Ein militärischer Umsturz im Tschad im Zusammenhang mit dem Darfur-Konflikt würde mehr bedeuten als einen innenpolitischen Stafettenwechsel. Sudans innere Krisen würden sich erstmals destabilisierend auf ein Nachbarland auswirken. In Reaktion auf die jüngsten Kämpfe erklärte Tschads Regierung, sie werde ihr „Recht auf Verfolgung“ wahrnehmen und die Rebellen in den Sudan jagen.

Tschads Präsident Déby ist nun erst einmal in die Zange genommen. Denn während Sudan ihm die Unterstützung der Darfur-Rebellen vorwirft, finden Letztere, dass er für sie zu wenig tut. Das denken auch im Tschad viele Zaghawa-Militärs, wichtigste Stütze Débys. Viele von diesen sind deswegen von ihm abgefallen und haben eine eigene bewaffnete Oppositionsgruppe namens SCUD (Sockel für Wandel, Einheit und Demokratie) gegründet. Die ist in Darfur mit der dortigen islamistisch angehauchten Rebellenbewegung JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) verbündet und lieferte sich im Oktober Kämpfe mit Tschads Armee. Letzte Woche wurde aus Darfur ein erneutes Spitzentreffen der tschadischen Opposition gemeldet, woraufhin in Tschads Hauptstadt Ndjamena hohe Zaghawa-Amtsträger verhaftet wurden.

Sowohl in der SCUD wie auch in der ANR sollen also langjährige Waffenbrüder Débys aktiv sein – mit unterschiedlichen Motiven, aber dem gemeinsamen Ziel des Umsturzes im Tschad. Um einen Putsch aus den eigenen Reihen zu verhindern, löste Déby im Oktober seine Präsidialgarde auf und ersetzte sie durch eine sechsmal kleinere Einheit. Prompt folgte im November ein Putschversuch. „Die sukzessiven Absetzbewegungen in der Armee erwecken den Eindruck, als ob das Machtzentrum sich allmählich leert“, schrieb am Sonntag ein tschadischer Kommentator.

Déby weiß, wie gefährlich die neue Rebellion für ihn werden kann: Er selbst ergriff 1990 als Rebellenführer die Macht im Tschad; sein Krieg gegen seinen Vorgänger Hissène Habré begann ebenfalls im Osten des Landes, mit sudanesischer Unterstützung. „Der Ostwind bringt die Barbarei“, titelte eine tschadische Zeitung, als in diesem Oktober die ersten neuen Kämpfe im Osttschad ausbrachen.

Déby gilt als wichtiger Verbündeter des Westens. Frankreich hält ständig 800 Soldaten im Tschad stationiert und sichert diskret den Osten des Landes gegen ein Überschwappen des Darfur-Konflikts. Die USA trainieren Tschads Armee im Antiterrorkampf und sind führend bei der Ölförderung im Süden des Tschad, die das Land in den letzten Jahren an die Weltspitze der Wirtschaftswachstumsraten katapultiert hat – und an die Spitze der Korruptionsrangliste von Transparency International.