Senat steht im starken Gegenverkehr

Seit 2003 gibt es weniger Kfz-Verkehr und mehr ÖPNV-Fahrten – so viel ist sicher. Warum, darüber gibt es Streit

Zumindest in zwei Dingen sind sich Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) und die Grünen-Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling einig: Auf Berlins Straßen gibt es heute etwas weniger Autoverkehr als vor zwei Jahren, und mehr Menschen fahren mit Bussen, Trams und Bahnen. Ansonsten streiten sich beide Seiten, was das Verkehrskonzept des Senats bislang gebracht hat.

Gestern stellte Junge-Reyer eine Zwischenbilanz des „Stadtentwicklungsplans Verkehr“ vor. Nach vielen Jahren, in denen der Auto- und Lkw-Verkehr zugenommen habe, sei er seit 2004 um 0,5 Prozent zurückgegangen. Auf den Hauptverkehrsstraßen waren es sogar 3,5 Prozent weniger, während der Verkehr auf Autobahnen zunahm.

Im Gegenzug habe der öffentliche Nahverkehr deutlich zugelegt. Gab es 1999 noch 1,1 Milliarden Fahrten mit BVG und S-Bahn, waren es 2004 bereits 1,27 Milliarden. Bessere Verkehrslenkungssysteme schleusten Busse und Bahnen zügiger durch die Stadt. Alles in allem führe das auch zu mehr Lebensqualität: „Wir sind von Lärm weniger belastet“ als vor wenigen Jahren, sagte Junge-Reyer.

Die Grünen glauben nicht an einen Erfolg der Senats. Der Rückgang beim Autoverkehr sei nicht der Verkehrspolitik, sondern den höheren Benzinpreisen zu verdanken. Ihre verkehrspolitische Sprecherin Claudia Hämmerling kritisiert: „Unter Rot-Rot wurden wichtige Straßenbahnprojekte und die Verbindung zwischen Nordbahnhof und Lehrter Bahnhof zurückgestellt, weil der Pkw-Verkehr Vorrang hatte.“ Auch die Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr seien falsch.

Aus Junge-Reyers Sicht sprechen hingegen weitere Fakten für die rot-rote Verkehrspolitik: 17 Kilometer neue Radwege, 6.000 Stellplätze für Fahrräder, neu eingerichtete Tempo-30-Zonen, Verkehrsinseln und Übergänge für Fußgänger. Derzeit forscht die Verkehrsverwaltung nach unfallträchtigen Straßen und Kreuzungen.

Der CDU-Verkehrsexperte Alexander Kaczmarek kritisierte, viele Baustellen würden bis zur Fußball-WM 2006 nicht mehr fertig gestellt.

MATTHIAS LOHRE