Was machst du die Tage?

Weihnachten ist eigentlich schon wieder fast vorbei? Na ja, eine Frage wäre da noch zu klären: Wünscht man den Mitmenschen ein frohes Fest? Oder sind Weihnachtsgrüße nur dumme Floskeln?

VON KERSTIN SPECKNER

Weihnachtsstress. Schnell hat man noch die letzten Geschenke und Vorräte gekauft, steht man an der Kasse, hat schon bezahlt – da lauert das nächste Problem. „Also dann“, setzt man an, „auf Wiedersehen und …“, erst mal Nachdenken. Kann man denn der türkischen Kassiererin einfach so „Frohe Weihnachten“ wünschen? Vor allem wenn sie Kopftuch trägt. Dann geht man davon aus, dass sie praktizierende Muslimin ist. Bestimmt feiert sie dann auch nicht Weihnachten, oder? Schließlich wünscht einem der arabische Gemüseverkäufer auch nicht zu den Feiertagen am Ende des Fastenmonats Ramadan fröhlich „Eid Mubarrak“.

Im Zeitalter der political correctness begibt man sich mit solchen Wünschen schnell auf unsicheres Terrain? Man möchte ja niemandem ein christlich abendländisches Weltbild aufdrängen, auch wenn man es selbst vielleicht gar nicht hat. Außerdem feiert ja auch nicht jeder gerne Weihnachten. Den einen oder anderen stimmt das Fest der Liebe vielleicht eher depressiv oder erinnert an die zerstrittene Familie, schreckliche vergangene Festtage oder einfach die eigene Einsamkeit.

Ist man jedoch selbst in Weihnachtsstimmung, möchte man das doch kundtun. Irgendwie. Machen die anderen ja auch. Vielleicht ist der arabische Gemüseverkäufer ja auch gläubiger libanesischer Christ und würde sich über einen Weihnachtsgruß besonders freuen.

Nur, was sagt man denn? Vielleicht „Schöne Feiertage?“ mit dieser Formulierung bleibt man immerhin halbwegs neutral. Sie erwähnt Weihnachten und damit eventuelle religiöse Bezüge überhaupt nicht. Freie Tage haben ja die meisten, ob sie nun feiern oder nicht. Andererseits ist man auch oft erstaunt, wenn die eigenen Bekannten, die man nur als überzeugte Atheisten kennt ganz unbeschwert ein „Frohes Fest“ wünschen.

Möchte man religiöse und Festbezüge komplett ausschließen und trotzdem an der Weihnachtsstimmung des Gegenübers teilnehmen, könnte sich auch die Frage eignen: „Und was machst du die Tage?“, nach dem Motto: Wir beide wissen doch welche Tage gemeint sind, aber wir wollen da mal nichts rein interpretieren. Outen, wie man denn nun zu Weihnachten steht, muss sich dann der oder die Gefragte.

Man könnte sein Gegenüber auch komplett grußlos verlassen. So tun, als wäre gar nicht Weihnachten. Aber riskieren, unhöflich oder ignorant zu wirken. Es ist ja auch ein bisschen enttäuschend, wenn man selbst in Weihnachts- oder zumindest in Bald-ist-Feiertag-Stimmung ist, strahlend durch die glitzernde Stadt läuft, und keiner möchte es wissen.

Sind Weihnachtsgrüße also dumme Floskeln, die man sich der political correctness halber ersparen sollte? Und ähnlich abgenutzt wie die Frage „Wie geht’s?“ Ehrliche Antworten nicht erwünscht.

Viel unbeschwerter geht man erstaunlicherweise mit freundlichen Floskeln in den Vereinigten Staaten um, dem Mutterland der political correctness. Dass hier auch Fremde überschwänglich begrüßt und nach dem Befinden gefragt werden, „merry christmas“ von jedem gewünscht wird, mag auf manchen, dem ein „Guten Morgen“ gegenüber den Kollegen schon zu viel Heuchelei ist, oberflächlich wirken. Zumindest verbreitet es aber eine positivere Grundstimmung.

Auch in Deutschland gehen vielfach Migranten mit dem Thema Weihnachten viel unkomplizierter um: Der eindrucksvollste Weihnachtsbaum steht immer noch in einem pakistanischen Restaurant, von Muslimen geführt, mitten in einer bayerischen, christlichen Kleinstadt: Mit Lametta, verschiedenen Lichterketten und Kugeln, in gewagten Farbkombinationen.

Also was tun? Einfach drauf los grüßen! Persönliche Weihnachtsgrüße sind keine heuchlerischen Floskeln. Immer wenn Kollegen oder Freunde schon Tage vor Weihnachten bei der Verabschiedung eben noch dazu sagen „Und schöne Weihnachten“, dann merkt man, dass es für die meisten doch irgendeine Bedeutung haben muss. Immerhin sind sie in Gedanken schon so weit in Weihnachtsstimmung, dass sie sich überlegt haben, wen sie vor dem Fest nicht noch einmal sehen. Und man freut sich: Bald ist es so weit. Was diese Tage für den Einzelnen bedeuten, ist dann eigentlich egal.

Schluss mit Nettigkeit und Fröhlichsein ist allerdings dann, wenn die fröhliche Weihnachtsstimmung zum Zwang wird. Bei persönlichen Kontakten freut man sich noch, kommen dazu aber permanent gedudelte Weihnachtslieder, die vom Rentier bis zum Schneeflöckchen alles besingen, maschinell erstellte Grußkarten von jeder Firma, mit der man im vergangenen Jahr irgendwie zu tun hatte oder die animierte Weihnachts-MMS vom Telefonanbieter mit persönlicher Anrede, schlägt die Fröhlichkeit schnell in genervten Weihnachtstrotz um.

„Frohe Weihnachten, schöne Feiertage und Co.“ jedoch sind einfach eine Nettigkeit, über die man sich eben freut oder sie schlimmstenfalls ignoriert. Wirklich genervt sind die wenigsten, die Lieder sind schlimmer! Was kann man denn auch schon falsch machen, wenn man jemanden, egal welcher religiösen Überzeugung, freundlich ins Gesicht lächelt und ihm eine schöne Zeit wünscht? Die kann ja gern auch im Ramadan liegen. Wie formulierte es Kassiererin Aischa aus dem Gemüseladen: „Frohe Weihnachten!“