Endlich repräsentativ!

Mit dem Politbarometer untersucht die Forschungsgruppe Wahlen die Stimmung im deutschen Volk. Kürzlich auch meine. Jedenfalls den Teil der Stimmung, der ins Bild der Meinungsforscher passt

VON MAREI AHMIA

Oh nein, bitte nicht schon wieder eine Telefonumfrage … Was? Politbarometer? Na gut, das klingt seriös, und vielleicht kann man ja endlich mal den Trend mitbestimmen. Einmal nicht mit einem indignierten „mich hat wieder keiner gefragt“ auf die Zahlentürmchen reagieren müssen. Repräsentativ sein! Repräsentativ? Wer außer mir ist eigentlich mitten in der Woche vormittags zu Hause? Arbeitslose, Hausfrauen, Freischaffende … Also versuche ich als freischaffende arbeitslose Hausfrau mal seriös auf die Fragen der freundlichen Studentin einzugehen. Das stellt sich als nicht immer ganz leicht heraus – auch wenn gelegentlich schon die Formulierung der Frage uns Hausfrauen bei der Antwort behilflich zu sein scheint.

Den handverlesenen Spitzenpolitikern von Merz bis Steinbrück (5 CDU/CSU, 4 SPD, 1 Grüner, 1 FDP, 0 von der Linkspartei) entsprechende Antipathiewerte zu verpassen, fällt nicht schwer und macht sogar ein bisschen Spaß. Über meine wirtschaftliche Lage sowie die des ganzen Landes maße ich mir auch rasch ein Urteil an. Wen ich nächsten Sonntag wählen würde, weiß ich einer spontanen Eingebung folgend ebenfalls zu sagen. Schwieriger wird es bei der Bewertung der politischen Beziehungen einzelner Staaten zu Deutschland. Laut Forschungsgruppe Wahlen können diese immer nur gut oder schlecht sein. Mein Vorschlag, das aktuelle Verhältnis Deutschland/USA als „so mittel“ zu bezeichnen, wird nicht akzeptiert. Das Verhältnis Deutschland/Russland darf ich auch nicht wie gewünscht als „zu gut“, sondern nur als „gut“ bewerten.

Eindeutig nicht gut finde ich Gammelfleisch, aber sehe ich dadurch auch meine Gesundheit gefährdet? – Wenn ich jetzt nein sage, da ich so etwas gar nicht kaufen würde, verzerre ich dann nicht das Bild in Richtung einer Verharmlosung von Müll in Lebensmitteln? Die „Flüge mit terrorverdächtigen Gefangenen“ (kein Wort deutet auf Entführungen oder Folter hin), „über die zurzeit“ ja so „viel gesprochen wird“, sind für mich tatsächlich ein „wichtiges Thema“, auch wenn die Fragestellung eine harmlosere Bewertung nahe legt und diesmal sogar Differenzierungen wie „nicht so wichtig“ möglich sind.

Ulkig wird es bei der Frage, ob es mir (sinngemäß) wichtig sei, dass all die vielen Vorschriften und Gesetze in unserem Lande reduziert werden sollten, aber auf die Rückfrage, welche denn gemeint seien, keinerlei Präzisierung folgt. Natürlich finde ich, dass blöde Vorschriften wie „draußen nur Kännchen“ oder „Zelten in Gartenanlagen verboten“ abgeschafft gehören. Gute Regeln und Gesetze sollen aber bitte bestehen bleiben oder, wo nicht vorhanden, gerne neu eingeführt werden. Die Studentin lacht freundlich mit. Wie sich später herausstellt, muss die dümmliche Anmaßung dieser Formulierung schließlich auch den Verantwortlichen der Studie aufgefallen sein, jedenfalls ist sie im offiziellen Fragenkatalog nicht mehr zu finden.

Diese Liste zu erhalten erwies sich überraschenderweise als gar nicht so einfach. Zuerst hieß es, man könne die Ergebnisse ja im ZDF verfolgen. Da im gesendeten Politbarometer aber nie die ganzen Antworten und auch nicht bei allen Antworten die tatsächlichen Fragestellungen aufgeführt werden, wollte ich mich damit nicht zufrieden geben. Verweise auf eine Kölner Universität, die die Original-Fragebögen zu archivieren pflege, stellten sich als unbrauchbar heraus. Direkte Anfragen bei der Forschungsgruppe Wahlen führten zunächst zu Verzögerungen, dann zu nichts und dann zu einem patzigen Schreiben nach dem Motto, wer man denn sei, so etwas anzufordern. Erst eine mahnende Erinnerung an den allgemein üblichen höflichen Umgang unter Erwachsenen führte zum Erfolg.

Neben den professionell formulierten Fragen und den unterschiedlich differenzierten Antwortmöglichkeiten sind der Liste auch Anweisungen an die Befrager zu entnehmen. So etwa die Aufforderung, eine Frage zu „RANDOMISIEREN!“, also sie möglichst beiläufig zu stellen. Um ihr die Wichtigkeit zu nehmen und allzu langes Nachdenken zu verhindern?

Die Fragen lassen allerlei Interpretationen zu, erklären aber nicht die Geheimniskrämerei eines seriös und transparent auftretenden Instituts. Oder war einfach die letzte Frage zu peinlich: „Wird Deutschland Fußballweltmeister?“ Immerhin kann hier eine klare und deutliche Antwort gefunden werden.