europäische pressestimmen zur europäischen zukunft
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Die liberale Budapester Tageszeitung Magyar Hirlap lobt die abgelaufene britische EU-Ratspräsidentschaft: Blair war gut für Europa. Zwar hätte er für die Propagierung der Notwendigkeit von Reformen und auch für die Popularisierung des europäischen Gedankens in seiner eigenen Heimat viel mehr tun können. Doch, so stellt sich die Gegenfrage, gibt es einen einzigen Tory-Politiker, der es wagen würde, sich als „echter Europäer“ zu bezeichnen, wie es Blair tat? Und angesichts eines Jacques Chirac und eines Silvio Berlusconi, die ihr Verhalten allein der eigenen Innenpolitik unterordneten, erscheint Blair tatsächlich als ein echter Europäer. Kein anderer britischer Politiker hätte den Mut aufgebracht, den Sieben-Jahres-Haushalt der EU unter Aufopferung eines Teils des Briten-Rabatts unter Dach und Fach zu bringen.

Die Krise kommt, meinen die Dernières Nouvelles d’Alsace aus Straßburg: Die wirkliche Krise der EU nach der Ablehnung des Verfassungsprojekts dürfte 2006 so richtig ausbrechen. Im Kreis der Verfassungsbefürworter sind Frankreich und die Niederlande auf den zweiten Rang verwiesen und werden beschuldigt, ein stärkeres und besser organisiertes Europa abzulehnen. Dies steht im Widerspruch zum Ehrgeiz Frankreichs, eine Führungsrolle zu spielen, obwohl ihm durch das Referendum vom 29. Mai Hände und Füße gebunden sind. Die Beratungen über das Europa der Zukunft sollten 2007 aufgenommen werden, nach der Präsidentenwahl in Frankreich. Bis dahin darf Europa nicht stillstehen. Die Reform der Institutionen ist entscheidend, damit die Gemeinschaft mit 25 Mitgliedern funktionsfähig bleibt. Es muss ein Weg aus der Sackgasse gefunden werden, um die Zukunftsperspektiven zu erhalten.

Das Luxemburger Wort ist nach einem schlechten Jahr 2005 optimistisch: Der Luxemburger Ratsvorsitz im ersten Halbjahr konnte keine Einigung über die Finanzplanung 2007–2013 herbeiführen. Darauf einigten sich die fünfundzwanzig in buchstäblich letzter Minute erst zum Jahresende ausgerechnet unter dem britischen Vorsitz. Zum 1. Januar übernimmt nun Österreich in Europa das Ruder. Schüssel konstatiert unumwunden: „Wir sind in einer gefährlichen Situation.“ Im Vergleich zum gemeinhin geübten EU-Zweckoptimismus ist dieses Eingeständnis geradezu erfrischend. Doch die nächste Erweiterung steht schon 2007 mit der Aufnahme Rumäniens und Bulgariens ins Haus. Wird es unter Wiener Ratsvorsitz endlich zu der schon lange fälligen Debatte über die Finalität der europäischen Einigung kommen?