debatte: bücking versus schuster, die zweite
: Was kann Bremen?

Bleibt Bremen als Bundesland selbstständig? In der Diskussion zwischen den taz-Gastkommentatoren warf Joachim Schuster (SPD) Viertelbürgermeister Bücking vor, von „falschen finanzpolitischen Grundlagen“ auszugehen. Hier nun Bückings Antwort.

Lieber Joachim Schuster! Wenn Du in der Bundländerkommission zur Föderalismusreform dein Argument von der Unterfinanzierung aller staatlichen Ebenen vorträgst, darf man gespannt sein, wie die Diskussion weitergeht. Mein Tipp: man wird Dir antworten: „Ihr hattet eure Chance“. Die anderen werden Wert darauf legen, dass sie es besser machen. Und der Berliner Genosse Finanzsenator wird den Deubel tun und sich mit den Bremer Genossen verbünden. Der setzt auf a) sparen b) Hauptstadt und c) Länderfusion.

Es bleibt die Frage: Was kann Bremen, was die anderen nicht können, und zwar etwas, was für den Rest der Republik wirklich wertvoll wäre. Diese Frage müssen wir klären, damit wir verhandeln können über beide Optionen; Gestaltung der Selbstständigkeit und Gestaltung der Länderfusion. Vielleicht könnten wir die bremischen Möglichkeiten so formulieren:

Das gewaltige Investitionsprogramm der letzten 10 Jahre hat die infrastrukturelle, ökonomische und wissenschaftliche Basis der Hansestadt ein gutes Stück vorangebracht. Die großen Investitionen waren nicht alle klug und richtig, vor allem nicht richtig dimensioniert, aber die richtigen und klugen werden wirken. Was schief gegangen ist, bringen wir selber wieder in Ordnung. Jetzt muss die Kreditlinie für Investitionen runter. Dazu müssen auch Projekte beendet werden, für die es gute Gründe gibt und möglicherweise auch Verträge. Das ist die Probe auf den Patriotismus der Handelskammer (was dazu sonst noch alles gesagt werden muss, überspringen wir hier mal).

Trotz aller Anläufe zur Reform des Öffentlichen Dienstes kostet er fast ein Drittel der Steuern (800 Mio. Euro). Das ist zu viel. Der Apparat ist zu groß und zu ineffektiv. Entlassungen sind nahezu unmöglich. Versetzungen schwierig. Das hat mit allem Möglichen zu tun. Vor allem mit viel Führungsschwäche auf fast allen Ebenen. Auch mit dem Bremischen Personalvertretungsrecht. Aber eben auch mit Bundesregeln. Hier treffen sich die Länderinteressen: Bremen braucht Sonderrechte, um den Verwaltungsapparat umbauen zu können. Rückbau, Modernisierung, Effektivierung der Verwaltung, das wäre ein Angebot. Das ist die Probe auf den Patriotismus und strategisches Denken von ver.di.

Beides würde für unser politisches System viel bedeuten. Damit es gesteuert werden kann, brauchen wir: Richtlinienkompetenz des Bürgermeisters gegenüber den Senatoren; Direktwahl des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin; Abschaffung der Deputationen und stattdessen parlamentarischer Ausschüsse mit echten Kontrollrechten, aber ohne Verwicklung in das exekutive Geschäft. Wenn wir die politische Zentrale nicht gegen die mächtigen Lobbygruppen und tausend berechtigten Interessen stärken und mit einem eigenen Mandat ausstatten, wird der Prozess nicht gelingen können. Dann wird die Angst der Parteien vor der Konkurrenz weiter die Szene beherrschen. Das ist die Probe auf die politische Elite.

Womit wir bei der Gerechtigkeitsfrage wären. Es ist die böse Logik der Verhältnisse, das verschleppte und ängstlich vermiedene Strukturreformen die vermeintlich zu Schützenden am Ende doppelt hart treffen. Das lässt sich gut am Beispiel der Kommunalen Kliniken studieren. Wertvolle Zeit wurde verloren. Jetzt wird es teurer, endet wohlmöglich mit der Privatisierung und die kleinen Leute tragen die Folgen. Ein anderes schillerndes Beispiel ist die Verteilung von Ressourcen und Entscheidungsrechten zwischen Schulverwaltung und Schulen. So wie die Dinge laufen, blühen die Privatschulen und die Gymnasien in Schwachhausen. Was kann man da lernen und wie kann man das nutzen? Wie kann man das Engagement der Eltern für die Schule mobilisieren? Welche Rechte können wir ihnen geben? Wie viel Autonomie und Wettbewerb darf es zwischen den Schulen geben? Und dann kommt die Umverteilungsfrage: extra Kohle für extra Leistung. Wer mehr Zuwandererkinder zum Abschluss führt, wer größere Beiträge leistet zur Überwindung der sozialen Spaltung und Ausgrenzung, bekommt dafür Unterstützung. So könnte man sich verständigen.

Du schreibst: „Um dem Trend zu einer Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung entgegenzuwirken, bedarf es auch in der Stadt einer staatlich vermittelten Umverteilung“. Die Politik der letzten 10 Jahre hat gewaltig umverteilt und die Lasten auf die nächste Generation verschoben. Nun wird schneller abgerechnet als gedacht. Die Banken verstehen keinen Spaß. Die Kredite müssen bedient werden. Also müssen wir unseren Staat billiger machen, damit wir in der Stadt überhaupt noch etwas Nützliches tun können und dabei wird es um die Förderung der Selbstständigkeit der Bürgerinnen und Bürger gehen und die Unterstützung derjenigen, die sich nicht selber helfen können.