UKE im Reich der Mitte

Akupunktur an der Hochschule: Uniklinik Eppendorf schafft bundesweit ersten Lehrstuhl für chinesische Heilmethoden. Die Schulmedizin kommt daran nicht mehr vorbei, so die Begründung. Kritiker bemängeln, dass keine Sprachkenntnisse verlangt werden

Von Elke Spanner

Das Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE) gliedert sich dem Reich der Mitte an. Die Klinik errichtet den bundesweit ersten Lehrstuhl für traditionelle chinesische Medizin (TCM). Bis Ende der Woche läuft die Ausschreibung, mit der ein Professor oder eine Professorin für das neue Unterrichts- und Forschungsfach gesucht wird. Der ärztliche Direktor des UKE, Jörg Debatin, hofft, mit dem Lehrstuhl die TCM aus einer „medizinischen Grauzone“ herauszuholen. Kritiker fürchten, die „schlechte Tradition“, dass Akupunktur in Deutschland ohne wissenschaftliche Grundlage praktiziert wird, werde durch die laufende Ausschreibung gerade fortgesetzt: Denn Chinesischkenntnisse werden vom Lehrstuhlinhaber nicht verlangt.

„Wer nicht einmal die Primärliteratur lesen kann, kann kaum ein Fach auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen, in dem viel Scharlatanerie betrieben wird“, hält der Vorsitzende des „Deutschen Institutes für traditionelle chinesische Medizin“, Hans-Joachim Lehmann, dem UKE vor. Das wiederum findet die Kritik absurd. „Die Endoskopie beispielsweise wurde in Japan erfunden“, spottet Debatin. „Trotzdem kann ich endoskopieren, ohne japanisch zu sprechen.“ Würde man chinesische Sprachkenntnisse verlangen, würde das Kandidaten ausschließen, deren wissenschaftliche Reputation oder Erfahrung in der Lehre dem neuen „Zentrum für traditionelle chinesische Medizin“ Profil geben könnte.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Allensbach hat ergeben, dass sich rund 80 Prozent aller Deutschen eine kombinierte ärztliche Behandlung aus Schulmedizin und alternativen Heilverfahren wünschen. Daran, sagt Debatin, „kommt die klassische Medizin nicht mehr vorbei“. Damit verbunden sei die Frage, welche Symptome durch Akupunktur wirklich kuriert werden, auf welche Weise die chinesische Medizin wirkt und nicht zuletzt, warum immer mehr Patienten der Schulmedizin skeptisch gegenüberstehen. „Einer Uniklink steht es gut an, sich diesen Fragen zu stellen“, sagt Debatin.

Die Professur für TCM wird zunächst für fünf Jahre durch Stiftungsgelder finanziert. Die TCM-Universität Shanghai soll die neue Lehrkraft unterstützen, ein entsprechendes Abkommen hat Bürgermeister Ole von Beust (CDU) bei seiner China-Reise im September 2004 geschlossen.

Der Vorsitzende des „Institutes für traditionelle chinesische Medizin“ hingegen hält Unterstützung aus China nicht für ausreichend. Er verlangt vom UKE, die laufende Ausschreibung zurückzuziehen und von den Bewerbern Sprachkenntnisse zu verlangen. „Es hat sich in Deutschland eingebürgert, chinesische Medizin ohne Chinesischkenntnisse zu praktizieren“, sagt Lehmann. „Das ist geschichtlich erklärbar, aber fachlich unhaltbar.“ Viele Ärzte würden Akupunktur praktizieren, an die 100 Institute Ausbildungen anbieten – „haarsträubend, was da zum Teil unterrichtet wird“.

Da die chinesische Medizin nun in die Universitäten integriert wird, sei es unerlässlich, sich wieder auf deren Ursprünge zurückzubesinnen. UKE-Vorstand Debatin räumt ein, dass es sinnvoll sein könne, bei der Erforschung der chinesischen Heilmethoden auch die sie begründenden Originaldokumente zu verstehen. „Aber wie Akupunktur tatsächlich wirkt“, sagt er, „kann man auch erforschen, ohne Chinesisch zu verstehen.“