Deutschland legt kaum zu

Die Prognose des DIW ist keine Freude für die Regierung: 2007 nur 1,2 Prozent Wachstum

VON TARIK AHMIA

Einen Dämpfer haben gestern die Wirtschaftspläne der Bundesregierung bekommen: Er kommt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das gestern in Berlin seine Konjunkturprognose bis 2007 vorlegte. Viel Erfreuliches wird Bundeskanzlerin Angela Merkel darin nicht finden.

Am ehesten dürfte sie erleichtern, dass auch die Berliner Wirtschaftsexperten für 2006 eine kurze wirtschaftliche Erholung erwarten. Im Einklang mit anderen deutschen Konjunkturforschern rechnet das DIW nun mit 1,7 Prozent Wirtschaftswachstum statt der ursprünglich angepeilten 1,5 Prozent. Schon für 2007 befürchten die Forscher, dass „die Konjunktur in Lethargie zu versinken droht“ – sie prognostizieren dann nur noch 1,2 Prozent Wachstum.

Die wirtschaftliche Belebung in diesem Jahr ist wenig nachhaltig und politischen Tricks geschuldet: Wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozent ab 2007 werden viele Konsumenten geplante Anschaffungen in diesem Jahr vorziehen und so den privaten Konsum um 0,3 Prozent beleben. Doch die Binnennachfrage wird 2007 schon wieder ins Minus rutschen, da die Käufer die dann hohe Mehrwertsteuer scheuen. Das flankierende Investitionsprogramm der Bundesregierung halten die DIW-Experten nicht mehr als einen „Tropfen auf den heißen Stein“. Trotz der Ankündigungen der großen Koalition sei auch auf dem Arbeitsmarkt „keine grundlegende Besserung in Sicht“. Bestenfalls könne der Abbau sozialversicherungspflichtiger Jobs für dieses Jahr gestoppt werden. Auch 2007 werden diese normalen Arbeitsverhältnisse nicht zunehmen.

Sorgen bereitet den Konjunkturexperten, dass ein großer Teil des deutschen Wirtschaftswachstums auf den Exporterfolgen beruht. Besonders abhängig ist die Bundesrepublik vom Wachstum in China und den USA. Das könnte zwar gut gehen: Chinas Wirtschaft wird auch in diesem Jahr um knapp 9 Prozent wachsen, und die USA dürfte noch immer um 3 Prozent zulegen. Allerdings ist es für Deutschland ein riskantes Spiel, sich blind auf dieses Wachstum zu verlassen, denn die US-Wirtschaft gilt als gefährdet: Die Notenbank FED hat die kurzfristigen Zinsen auf inzwischen 4,25 Prozent erhöht – und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die langfristigen Hypothekenzinsen steigen. Das wird die amerikanischen Verbraucher unmittelbar treffen, die ihren Konsum sehr stark über Immobilienschulden finanzieren. Allein im dritten Quartal 2005 haben die US-Haushalte ihre Schulden um 11,6 Prozent erhöht. Gleichzeitig lebt auch die US-Regierung auf Pump. Zudem importieren die USA sehr viel mehr, als sie exportieren. Das „extrem hohe Leistungsbilanzdefizit“ der USA hat inzwischen mehr als 600 Milliarden Dollar oder 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht – die DIW-Forscher halten es für eine Gefahr, die die gesamte Weltkonjunktur bedroht.

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