Mehr Mitglieder für die Macht

Anhaltende Diskussion um fragwürdige Anwerbung von Neumitgliedern in Finkenwerder bringt Hamburgs CDU samt ihrem Parteichef Dirk Fischer in Verruf

Zwei Wochen war er abgetaucht. Auf Hochzeitsreise in Kapstadt. Das Handy abgeschaltet. Seit Anfang des Jahres ist Heiko Hecht, Rathausabgeordneter und Chef der CDU-Finkenwerder, wieder in Hamburg. Doch sein Mobiltelefon ist schon wieder aus.

Lediglich mit dem Abendblatt sprach Hecht, der im Verdacht steht, mit unlauteren Methoden Scheinmitglieder für seinen CDU-Ortsverband geworben zu haben, um seine eigene Position innerhalb der Union zu stärken. Und bestritt, den Parteieintritt von 200 Neumitgliedern – zum Großteil Türken alevitischer Glaubensrichtung – organisiert zu haben. Wer da alles Mitglieder für ihn geworben habe, konnte Hecht genauso wenig beantworten wie die Frage, warum so viele Menschen in seinen Ortsverein eintreten wollten, die nicht in Finkenwerder, ja nicht einmal in Hamburg wohnen.

Die Anträge der Eintrittswilligen, die die Mitgliederzahl seines Ortsverbandes fast vervierfacht hätten, will Hecht gar nicht zu Gesicht bekommen haben. So viel Unwissen mag CDU-Parteichef Dirk Fischer nicht durchgehen lassen. Es gäbe „eine Notiz“, die beweise, dass Hecht die Anträge der ominösen Neumitglieder gesehen habe, bezichtigte Fischer den Parteifreund der Lüge. Und zitierte ihn für kommenden Montag zum Rapport vor den Landesvorstand.

Doch der CDU-Chef gerät durch die Mitglieder-Affäre zunehmend selbst ins Schussfeld. Denn der Fall Hecht ist nur die Spitze des Eisbergs. In mehreren CDU-Kreisen kam es in den vergangenen Monaten zu Eintrittswellen, über die sich die Parteispitze nicht freuen kann.

So begehrten jüngst auch in Rahlstedt auffällig viele Menschen ihre Aufnahme in die CDU. Möglicher Hintergrund: In dem einflussreichen Ortsverband ist ein Machtkampf um den Vorsitz ausgebrochen, bei dem jede (neue) Stimme zählen könnte. Einige Mitglieder wollen Ortschef Karl-Heinz Warnholz abschießen.

Um solche Machenschaften zu verhindern, zogen Fischer und sein Stellvertreter Jürgen Klimke die Notbremse. Sie reaktivierten einen verstaubten Passus der CDU-Satzung, der jahrelang keine große Rolle gespielt hatte. Danach müssen neu geworbene Mitglieder dort, wo sie in die CDU eintreten, auch wohnen oder arbeiten.

Mithilfe dieses „Wohnortprinzips“ stoppten Klimke und Fischer die Eintrittswellen in Rahlstedt und Finkenwerder. Und setzen sich damit dem Vorwurf aus, über die Mitgliederaufnahme „nach Gutsherrenart“ zu entscheiden. Marco Carini