Dienstflug wird Grundgesetz

Föderalismusreform: Bonn kriegt Bundesministerien per Verfassung. Der Beamten-Shuttle bleibt so ausgelastet

VON RICHARD ROTHER

Die Föderalismusreform macht’s möglich: Das Dauerstreitthema zwischen Ostdeutschland und Nordrhein-Westfalen, die Aufteilung der Bundesbehörden zwischen Berlin und Bonn, könnte zu absurden Kompromissen führen. So soll die Pendel-Regierung zwischen Rhein und Spree verfassungsrechtlich auf Dauer festgeschrieben werden. Zurzeit haben sechs Bundesministerien ihren Hauptsitz in Bonn, täglich pendeln hunderte Beamte zwischen Spree und Rhein.

Nach einem Spiegel-Bericht hat das wirtschaftsstarke Nordrhein-Westfalen im Föderalismusstreit die Muskeln spielen lassen. Demnach hat NRW der Festschreibung Berlins als Hauptstadt im Grundgesetz unter der Bedingung zugestimmt, dass der Bonn-Berlin-Beschluss vom Jahr 1991 als Begleittext zur Neufassung des Hauptstadt-Artikels festgeschrieben wird. Die neue Hauptstadt-Klausel ist Teil der von der großen Koalition geplanten Föderalismusreform, der Bundestag und Bundesrat mit jeweils Zweidrittelmehrheit zustimmen müssen. In dieser Woche soll eine Arbeitsgruppe die Schlussfassung der Föderalismusreform erstellen.

Für Berlin wäre dieser Kompromiss zweischneidig: Einerseits garantiert die Hauptstadt-Klausel, dass der Bund für die Repräsentation der Bundesrepublik in Berlin zuständig ist und entsprechend zahlen muss; andererseits verliert Berlin auf Dauer die Hoffnung darauf, dass dereinst alle Ministerien – und damit tausende steuerbringende Stellen – nach Berlin wechseln. Gesamtstaatlich ist die Fahrerei der Beamten, die zwischen Berlin und Bonn pendeln, vor allem eines: aufwändig und teuer. So sollen allein die Flüge von täglich hunderten Regierungspendlern knapp eine Million Euro im Monat kosten.

Die FDP kündigte Widerstand gegen diese Pläne an. Die Bundestagsfraktion der Liberalen will über das Thema im Bundestag debattieren. Der Berliner FDP-Vorsitzende Markus Lönig wurde gestern deutlicher. Der Kompromiss sei ein „echtes Geschäft zu Lasten von Berlin“. Dies sei eine „Überkompensation für Bonn und hat mit föderaler Solidarität nichts zu tun“.

Ganz anders die Stimmen aus NRW: Der Chef der CDU-Landtagsfraktion, Helmut Stahl, bekräftigte, dass am Berlin-Bonn-Gesetz nicht gerüttelt werde. Es gehe dabei nicht nur um die Kosten einer Verlagerung der kompletten Bundesregierung nach Berlin. Eine „faire Arbeitsteilung“ zwischen Berlin und Bonn beuge einem „immer unverhohlener auftretenden Berliner Zentralismus vor“.

Auch die nordrhein-westfälische FDP will das Berlin-Bonn-Gesetz unverändert beibehalten. Die festgelegte Aufteilung dürfe nicht in Frage gestellt werden, sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Gerhard Papke. Die Föderalismusreform werde ad absurdum geführt, wenn sie den Berliner Zentralismus weiter stärke. Im Zeitalter von weltweiten Videokonferenzen wäre es ein Leichtes, den Beamtenpendeldienst zwischen Rhein und Spree auf ein Minimum zu reduzieren.