Bloß keine Panik!

Die Stiftung Warentest befasst sich mit der Sicherheit in den zwölf deutschen WM-Stadien und kommt zu dem Ergebnis, dass in vier Fußball-Arenen „erhebliche Mängel“ vorzufinden sind

AUS BERLIN MARKUS VÖLKER

Das Januar-Heft der Stiftung Warentest wird den Titel tragen: „WM Stadien – Vier bei Panik nicht sicher“. In der Ausgabe, die noch nicht in Druck gegangen ist, werden die deutschen Spielstätten zur Fußball-Weltmeisterschaft bewertet. Im Mittelpunkt des Testes steht die Frage: Was passiert im Fall einer Massenpanik? Die Prüfer kommen zu einem vernichtenden Urteil.

„Im Falle einer Panik können die baulichen Mängel einiger WM-Stadien verheerende Folgen haben“, teilte die Stiftung Warentest mit. „Erhebliche Mängel“ stellen die Konsumentenschützer beim Berliner Olympiastadion fest, der Arena auf Schalke, dem Leipziger Zentralstadion und dem Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern. „Deutliche Mängel“ fand die Testcrew bei den Stadien in Hamburg und Frankfurt, Dortmund und Stuttgart.

Das Quartett der Testverlierer hat ein gravierendes Problem: Panische Massen können nicht aufs Spielfeld strömen, da diese Wege versperrt sind, teils durch Gräben und Mauern, teils durch fehlende Tore. In Leipzig etwa müssten die Zuschauer eine neunzig Zentimeter hohe Betonmauer überwinden und dann 3,40 Meter tief springen. Aber auch in anderen Testbereichen wie Brandschutz oder Stolpersicherheit werden mehrfach die Noten „mangelhaft“ und „ausreichend“ vergeben.

„Das Ergebnis war ernüchternd“, sagte Holger Brackmann von der Stiftung Warentest auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin. „Viele der Erkenntnisse von vor zwanzig Jahren scheinen entweder vergessen worden zu sein oder werden teilweise ignoriert.“ Der Chefredakteur der Zeitschrift test, Hubertus Primus, sagte: „Fußballstadien gehören zu den gefährlichsten Versammlungsstätten. Weltweit haben sich seit dem Zweiten Weltkrieg mehr als sechzig schwere Unfälle mit 1500 Toten und 10.000 Verletzten ereignet.“ Der Fußball-Weltverband Fifa schreibt vor, dass ein Stadion nur dann für die Austragung von Spielen genutzt werden darf, „wenn es in baulicher und technischer Hinsicht dem neuesten Stand der Sicherheitserfordernisse entspricht“. Trotz der 1,5 Milliarden Euro, die beim Um- und Neubau der zwölf WM-Stadien ausgebeben wurden, ist dies offenbar nicht der Fall. Warum die Arenen dennoch abgenommen wurden, „verwundert“ die Warentester. Eine Paniksituation sei zwar unwahrscheinlich, meinte Primus, „aber auszuschließen ist sie eben nicht“; etwa während eines Spiels der Niederlande gegen England, bei dem gewaltbereite Fangruppen aufeinandertreffen könnten.

Am Dienstagmittag äußerte sich das Organisationskomitee (OK) der Fußball-WM zu den Vorwürfen. Es blieb bei der Ansicht, dass die deutschen Stadien sicher seien. „Wir haben Standards wie nirgends auf der Welt“, sagte OK-Vizepräsident Wolfgang Niersbach. Der Stiftung warf er vielmehr vor, schlampig formuliert und reißerisch agiert zu haben. Vor Veröffentlichung der Fakten hatte Franz Beckenbauer gegen die Stiftung Warentest polemisiert. „Mir reicht‘s jetzt mit diesem Heer der Besserwisser und Wichtigtuer“, sagte er in der Bild-Zeitung. „Die Stiftung Warentest kennt sich vielleicht mit Gesichtscreme, Olivenöl und Staubsaugern aus.“ Und weiter: „Diese Verbraucherschützer stehlen uns nur die Zeit.“

Die Stiftung Warentest ist freilich erfahren in der Sicherheitsbewertung von Bauten. Es wurden bereits Flughäfen und Bahnhöfe gestetet, 1985 und 1988 auch Fußballstadien. Seinerzeit reagierten die Stadionbetreiber und besserten nach. Davon geht die Stiftung Warentest nun auch wieder aus. „Man muss das geringe Risiko weiter verringern“, forderte Primus. Die Ergebnisse wolle er nicht als Vorwürfe an die Stadionbetreiber und das OK verstanden wissen, sondern als „konstruktive Anregung“.

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