Rot-Grün wird seziert

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Vier Monate nach der Abwahl von Rot-Grün wird aller Voraussicht nach ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, um die Aktivitäten der deutschen Geheimdienste in der Amtszeit der Regierung Schröder/Fischer aufzuklären.

Nach den Berichten über die Kooperation des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit den USA während des Irakkriegs sehen auch die Grünen keinen anderen Weg mehr, der „Licht ins Dunkel“ bringen könnte. Die jüngsten „Verdachtsmomente“ stellten die Einhaltung der Antikriegsposition der früheren Regierung in Frage und berührten „einen Kernbereich rot-grüner Außenpolitik“, sagte der grüne Sicherheitsexperte Winfried Nachtwei der taz. „Die einzig vernünftige Art, damit umzugehen, ist offensiv.“ Schon die Besuche deutscher Beamter im US-Gefangenenlager Guantánamo hätten viele Fragen aufgeworfen, nun sei „das Maß voll“. Der grüne Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit gab seiner Partei via Spiegel online mit, die „politische Moral“ erzwinge es, für Transparanz zu sorgen, „selbst wenn es schmerzhaft ist für den eigenen Laden“.

Die für den Untersuchungsausschuss nötigen Stimmen von 25 Prozent der Bundestagsabgeordneten scheinen sicher, nachdem der grüne Fraktionsvorstand gestern entsprechende Forderungen von FDP und Linkspartei unterstützt hat.

Die anstehende Aufklärungsarbeit dürfte die Gräben zwischen den ehemaligen Koalitionspartnern, SPD und Grüne, vertiefen. „Wer immer für die BND-Aktionen Verantwortung trägt - dafür lassen wir uns nicht denunzieren“, ließ Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer in der Rheinischen Post schon mal wissen. Zuvor hatte Exaußenminister Joschka Fischer bereits wie ein gänzlich unbeteiligter Oppositionspolitiker „Sachverhaltsaufklärung“ gefordert. Die gestrige Unterrichtung des geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums durch Regierungsbeamte reicht den Grünen nicht.

Der amtierende Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte es gestern „absurd“, dass die frühere Regierung den Irakkrieg „hintenherum“ unterstützt habe und fügte hinzu: „Sie können sich jedenfalls darauf verlassen, dass ich und meine Partei die Versuche, die ich da erkenne, Geschichte umzuschreiben, nicht zulassen werde.“

Bei dem schwerwiegendsten Vorwurf, wonach die deutschen Agenten den USA vor einem Luftangriff, bei dem 12 Zivilisten starben, Informationen über den mutmaßlichen Aufenthaltsort des irakischen Präsidenten Saddam Hussein lieferten, stehen weiter Aussage gegen Aussage. BND und Regierung dementieren jegliche Beteiligung. Dieser Vorwurf sei ausgeräumt worden, erklärte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Norbert Röttgen (CDU). Die Süddeutsche Zeitung war jedoch auch gestern bei ihrer Darstellung geblieben, die auf US-amerikanischen Quellen beruht.

Doch auch die bereits offiziell bestätigten Aktivitäten des BND werden in Berlin höchst unterschiedlich bewertet. Regierungssprecher Thomas Steg sagte, der BND habe den USA Informationen über den Standort von Schulen, Krankenhäusern und Botschaften geliefert, um diese Einrichtungen vor Angriffen zu schützen. Steg erklärte, dies habe dem Willen der damaligen Regierung entsprochen.

„Daraus zu schließen, es habe eine offensive Kriegsbeteiligung gegeben, halte ich nicht für angemessen“, sagte der SPD-Außenpolitiker Niels Annen der taz. Der Grüne Nachtwei dagegen hält auch die Beratung der USA zu Nicht-Zielen für „höchst problematisch“. Er gab zu bedenken, es sei allgemein bekannt gewesen, dass Schulen von irakischem Militär genutzt wurden. Fraktionschefin Renate Künast erklärte, auch wenn die BND-Mitarbeiter ihren US-Kollegen lediglich Hinweise gegeben hätten, welche Ziele nicht zu bombardieren seien, „ist das gewissermaßen auch eine Teilnahme am Krieg“.