Der Traum des Ziegenmelkers

Wanderungen des Türkentums. Ein Märchen zur Senkung der türkischen Volksmoral

Das ist nicht mehr meine Türkei, sagte sich das Türkentum und wanderte aus

Das Türkentum war sauer. Ein türkischer Schriftsteller mit dem türkischen Namen Orhan Pamuk hatte sich erfrecht, den Völkermord der Türken an den Armeniern als Völkermord zu bezeichnen, aber statt diesen ehrvergessenen Beleidiger der Ehre des Türkentums einen Kopf kürzer zu machen oder wenigstens einzubuchten, drucksten die Richter herum und drückten sich vor einem klaren Fehlurteil.

Das ist nicht mehr meine Türkei, sagte sich das Türkentum und wanderte mit seiner Familie nach Deutschland aus, nach Berlin, wo es eine Dönerbude am Lausitzer Platz in Kreuzberg eröffnete. Sauber gemacht wurde die Dönerbude nachts von der abgekämpften Frau des Türkentums. Die schöne Tochter stieg in Berlin in eine Karriere als Model ein und gelangte auf dem Umweg über München nach Paris, wo sie alsbald 25 Millionen Dollar brutto jährlich einheimste.

Die beiden gut gewachsenen Söhne des Türkentums wiederum verdingten sich als Darsteller in Pornofilmen für Homosexuelle und machten ebenfalls ein gutes Geschäft, und zwar ein besseres, als es sich die strenggläubischen, ziegenmelkenden Urgroßväter des Türkentums vor einhundert Jahren zu erträumen gewagt hätten. Und dennoch war das Türkentum traurig. Das ist nicht mehr meine Familie, dachte es. Paris! Laufstege! Und Schwulenpornos! Und dafür sollen meine Väter damals die Armenier massakriert haben? Das Türkentum umarmte seinen rotierenden Gammelfleischkreisel und weinte bitterlich.

Dingdong-dingeling, machte die Türglocke. „Zwei Pommes rot-weiß, zwei Döner und zwölf Becks! Und zwar zacko, du Eseltreiber!“ Was die Bude des Türkentums betreten hatte, war das angetrunkene Deutschtum. Dem Deutschtum war das Türkentum zuvor noch nie begegnet, jedenfalls nicht dessen reinrassiger Gestalt. „Wie bitte?“, sagte das Türkentum. „Hörst du schlecht?“, maulte das Deutschtum. „Zwei Pommes rot-weiß, zwei Döner und zwölf Becks! Und jetzt komma in die Hufe, du anatolische Ficksau!“

Das Türkentum dachte hin und her. Dann klatschte es dem Deutschtum den Inhalt einer Soßenschale ins Gesicht, rief per Handy seine Frau und seine Kinder zusammen und wanderte mit ihnen nach Amerika aus, in der Hoffnung, dass sich das Amerikanertum beim Besuch einer Dönerbude besser benehmen werde als das Deutschtum. Und so geschah es.

Die Sippe des Türkentums verbreitete sich über ganz Amerika und schaffte dort in nur 15 Jahren 245.682 Arbeitsplätze im Döner-Verkaufs-Gewerbe.

Möge dieses Märchen sowohl dem Deutschtum als auch dem ehrpusseligen Türkentum zur Lehre gereichen. Und wenn nicht, dann werden an dieser Stelle bald noch ganz andere Beleidigungen des Türkentums erscheinen: „Wer ist selbst zum Schnürsenkelbinden zu dumm? Das Türkentum! Das Türkentum!“ Oder auch: „Was nehmen wir einem Buckligen krumm? Doch wohl nur den Verweis auf sein Türkentum!“

Dein „Türkentum“, lieber künftiger EU-Kollege Türke, kannst du dir an den Fez stecken. Es adelt und ehrt dich so wenig, wie es einen Deutschen adelte und ehrte, sein „Deutschtum“ prahlerisch hervorzukehren und alle, die auf ein völkisches Hochamt pfeifen, mit Kinnhaken zu dekorieren.

„Türkentum“ – wie das schon klingt. Würde man das Türkentum ernst nehmen, dann könnte man auch von einem türkischen General, einem türkischen Zuhälter oder einem ganz normalen türkischen Bürger sagen: Was ihm zur Ehre gereicht, ist sein Türkentum. Und zu solchen Exzessen der Idiotie wollen wir es in Europa lieber nicht noch einmal kommen lassen.

GERHARD HENSCHEL