Folgen einer Weltmeisterschaft

Das Bündnis aktiver Fußballfans diskutiert über die Nebenwirkungen der WM. Befürchtet werden bleibende Schikanen gegen die Fankultur

Ganz ohne Merchandising geht es auch bei den kritischen Fans nicht. Zwölf Euro kostet das T-Shirt zur Fußball-WM 2006. Doch anstelle dreier grinsender Ballgesichter zeigt das alternative Logo jene, die aus der Sicht der Fans das Turnier im Sommer übernehmen werden: die Polizei und die Wirtschaftsbosse mit dicker Zigarre und Eurozeichen in den Augen. Der Fan hingegen landet hinter Gittern. Sicherheitswahn und Kommerzialisierung, mangelnder Datenschutz und eingeschränkte Bürgerrechte – die Weltmeisterschaft in Deutschland bringt wenig Gutes. Darin sind sich die Mitglieder des Bündnisses aktiver Fußballfans (BAFF) einig, die am Wochenende zu einem bundesweiten Kongress in Bremen zusammenkamen.

Der Hamburger Detlef Butter ist einer der rund 60 Teilnehmer, die im Bremer Steintor-Viertel diskutieren. Er hat sich keine WM-Tickets bestellt. „Die Datenerfassung, die dort vorgenommen wird, ist mir völlig suspekt“, sagt er. Der Fußball stehe längst nicht mehr im Mittelpunkt.

Vor allem befürchtet Detlef Butter, dass die WM ein Einfallstor für Repressalien gegen Fans sein wird. „Seitdem Deutschland sich um die WM bewarb, hat die Zahl der Stadionverbote deutlich zugenommen“, sagt Butter. Davon seien nicht nur Hooligans betroffen. „So ein Stadionverbot handelt man sich mitunter ganz schnell ein.“ Detlef Butter wundert das nicht: „Als Fan musst du inzwischen deine Unschuld beweisen, nicht umgekehrt.“

Was die Anhänger aus ganz Deutschland besonders bei Auswärtsfahrten erleben, füllt Bücher. Die vom Bündnis herausgegebene Sammlung „Die 100 schönsten Schikanen gegen Fußballfans“ war so erfolgreich, dass ein zweiter Teil folgen soll. Da werden ihnen etwa vor dem Stadion alte Einkaufszettel abgenommen. Begründung: Man könne damit Feuer machen. Megaphone oder großflächige Transparente hätten im Gästeblock schon jetzt kaum noch Chancen, sagen die Fans.

BAFF-Sprecher Johannes Stender hat sich trotz allem eine Karte für ein WM-Spiel in seinem Heimatstadion Kaiserslautern bestellt – und auch bekommen. „Ich will sehen, wie die WM in den Stadien wirklich aussieht“, sagt er. Auch er kennt das Dilemma, das viele auf der Tagung bewegt. Soll man die WM komplett boykottieren? Oder nutzt man sie für seine Anliegen und versucht, die Veranstaltung positiv zu beeinflussen?

Stender hat sich für die zweite Möglichkeit entschieden. „Wir wollen eine Gegenöffentlichkeit schaffen.“ So können die Fans sich vorstellen, vor Adidas-Fanshops gegen die Arbeitsbedingungen in der Dritten Welt zu demonstrieren oder vor einem Spiel eine Großdemo zu veranstalten. Damit hatten sie schon während des Confed-Cups in Frankfurt für Aufsehen gesorgt. Johannes Stender legt vor allem Wert darauf, die WM-Hysterie zu bremsen. „Wenn sich zwei Besoffene im Stadion prügeln, ist das kein Grund für eine Hooligan-Diskussion.“ So etwas passiere auf jedem Schützenfest. Vieles, was zur WM kommt, werde bleiben, fürchtet der BAFF-Sprecher. Die umfassende Videoüberwachung etwa oder die Speicherchips in den Eintrittskarten. Die Fans hoffen, wenigstens die bei der WM verbotenen Stehplätze auf Dauer erhalten zu können.

Dass das WM-Organisationskomitee nach der Studie der Stiftung Warentest und der Absage der Eröffnungsfeier in die Kritik gerät, empfinden viele hier mit Genugtuung. Um eines allerdings beneidet der 34-Jährige die Herren im Organisationskomitee. „Ich ärgere mich, dass ich nicht älter bin. Dann hätte ich die WM 1974 auf einem bezahlbaren Stehplatz erleben können.“ Stefan Hudemann