polnisches gedenken
: Mehr Zeitzeugen, weniger Denkmale

Eigentlich sind die Deutschen selbst an der neuen Denkmaldebatte schuld. Nicht nur, dass in der Hauptstadt Denkmale für unterschiedliche Opfergruppen aus der Zeit des Nationalsozialismus die einzig sichtbare Form der Erinnerung sind. Nein, man wollte die eigene Erinnerungskultur auch noch „exportieren“, indem – als Gegenentwurf zum Zentrum gegen Vertreibungen von Erika Steinbach – ein Mahnmal gegen Vertreibungen im polnischen Breslau anvisiert wurde.

Kommentar von MATEUSZ HARTWICH

Dass letzterer Vorschlag von Seiten der „Versöhnungsfraktion“ kam, die die deutsch-polnischen Beziehungen seit der Wende positiv geprägt hatte – geschenkt. Über die verhaltenen Reaktionen auf polnischer Seite brauchten sich die Initiatoren aber nicht zu wundern. Vor allem nicht, wenn man bedenkt, wie sensibel das Thema für viele Polen immer noch ist. Genauso wenig sollte man sich jetzt wundern, dass die rechten Kräfte in Warschau ein nationales Denkmal nach Berlin „exportieren“ wollen.

Die Zeichen der Zeit hätte man schon lange erkennen können: Die Vertreibungsdebatte hat in Polen eine Welle an Diskussionen ausgelöst, bei denen immer wieder die Frage nach der besonderen Rolle der Erinnerungskultur für die nationale Identität aufgeworfen wurde. Offensiv wussten die Konservativen mit dem Thema umzugehen. Der Warschauer Stadtpräsident Lech Kaczyński hat den 60. Jahrestag des Warschauer Aufstandes im August 2004 zu einem viel beachteten Event werden lassen, das ihm maßgeblich dazu verholfen hat, die nationalen Präsidentschaftswahlen im Oktober letzten Jahres zu gewinnen.

Spätestens seitdem ist „Geschichtspolitik“ integraler Teil der Außen- und Kulturpolitik des Landes. Neu ist dabei nur, dass bei der Geschichtsdebatte stärker auf mediale Präsenz gesetzt wird: von Filmprojekten zu international wenig bekannten Episoden aus der polnischen Geschichte bis hin zu neuen Museen. So hat der Kulturminister unlängst den Bau eines Freiheitsmuseums- und eines Kommunismus-Museums angekündigt.

Ähnlich wie in Deutschland ist damit auch in Polen die öffentliche Geschichtsdebatte überaus museumsfixiert, als ob eine begehbare Institution die letzte Chance wäre, die lebendige Erinnerung der Zeitzeugen in eine für die Multimedia-Generation annehmbare Form zu pressen. Vielleicht ist die Idee, ein „Polnisches Museum“ als gemeinsames Projekt in Berlin zu errichten, die entsprechende, wenn auch verspätete Reaktion auf nationale Martyriumsdenkmale.

Vielleicht sollte man sich aber stärker für andere Herangehensweisen öffnen und ähnlich wie an amerikanischen Schulen Gespräche mit Zeitzeugen zum integralen Bestandteil des Geschichtsunterrichts machen. Zumindest solange es noch Zeitzeugen gibt. Denn klar ist: Mehr als alle Denkmale berührt das „Publikum“ das individuelle Schicksal der Betroffenen.

Mateusz Hartwich, geboren in Wrocław, ist Publizist in Berlin.