der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… hat sein Glück mit den Politikern gefunden, den schwulen Politikern. Eine wirkliche Imagewende fand nämlich erst in dem Moment statt, als Klaus Wowereit im Jahre 2002 öffentlich die richtigen Worte fand. Seitdem wird allenthalben von der veränderten sozialen Lage der Homosexuellen gesprochen, seitdem sind sie akzeptabel und aufgenommen in die gesellschaftliche Mitte. Und seitdem werden schwule Politiker gezählt, jeder neue Name scheint wie ein Meilenstein auf einem guten Weg zur Normalisierung: Ole von Beust und Guido Westerwelle in Deutschland, Bertrand Delanoe in Frankreich, André Boisclair in Kanada, James E. McGreevey und Barney Frank in den USA, Alan Duncan in Großbritannien. Diese Namen und ihre Geschichten sind Meldungen, die ganz oben laufen in der Nachrichten-Hierarchie und die kommentiert, analysiert und bewertet werden wie politische Großereignisse.

Aber was ist dran am homosexuellen Politiker? Warum ist er so viel mehr wert wie ein schwuler TV-Koch oder schwuler Schlagerstar? Warum haben Alfred Biolek oder Patrick Lindner so viel weniger hergemacht im Rechtfertigungskanon für eine homosexuelle Lebensweise als Wowereit oder von Beust?

Erinnern Sie sich noch an Rosa von Praunheim, den ersten Schwulen in Deutschland nach 1945? Die Menschen fanden ihn geschmacklos und provokant, er gab ihnen den Hofnarren, legte sich eine rosa Boa um den Hals und fragte jeden Nächstbesten, ob und wie oft er onaniert. Und wenn das Publikum gute Laune hatte, lachte es über ihn, mehr war nicht drin. Auch die Homosexuellen mochten ihn nicht, er galt als Nestbeschmutzer und für lange Zeit hatte er Hausverbot in vielen Lokalen der Subkultur.

Dabei hat er – ungeachtet aller Kritik – mehr für die Emanzipation der Homosexuellen getan als irgendeiner sonst. Das hat immer wieder für Unordnung gesorgt, für Schlagzeilen, für böses Blut. Aber am Bild des Homosexuellen hat er wenig rütteln können, sie galten weiterhin als exotische Nachtschattengewächse.

Erst die Krawatten-Männer in den Anzügen mussten kommen, vom Volk gewählt und bevorschusst mit ganz viel Vertrauen. Jedenfalls so viel, dass ihr Anblick ausreichte, um bei der Betrachtung der Homosexuellen auch andere Möglichkeiten gelten zu lassen als nur die Karikatur. In der schwulen Gemeinde machen diese Politiker nicht ganz so viel her. Zwar schmückt man sich mit ihren Namen, wenn es darum geht, die eigene Existenz nach außen aufzuhübschen. Aber zur wirklichen Idolatrie hat es nie gereicht, weder bei Wowereit noch bei Westerwelle.

Schwule Politiker stehen für Modernität, für ein Fortkommen auf moralischem Terrain, ob sie in ihrer Funktion dabei etwas getan haben für ihre Klasse ist völlig nebensächlich. Es ist einzig ihre Optik, der Bruch mit jedem Klischee, der sie zum Symbol werden lässt. Nur wenn die Oberfläche kurz verlassen wird, ist der Homo-Bonus dahin. Auf die Frage eines TV-Journalisten, was er denn von einem schwulen Politiker halte, antwortete unlängst ein zufälliger Passant: „Gar nix. Die haben doch keine Ahnung davon, wie wir leben.“ So schnell kann einer wieder zum Fremden werden, als steckte in dem vertrauten Anzug dann doch ein Wesen vom anderen Stern.