Verfassungsdeal
: Das Leben, ein Tauschgeschäft

Bekanntlich hält die Mehrheit der Deutschen die Politik für etwas Verschlagenes. Dem gegenüber steht das vermeintlich ehrliche Privatleben. Dabei ist der Unterschied zwischen beiden Sphären gering. Tauschgeschäfte gibt es hier wie dort. Das zeigt auch das jüngste Beispiel der rot-roten Koalition: Die Linkspartei erreicht, dass die Bürgerbeteiligung stärker in der Verfassung verankert wird. Dafür darf der Regierende SenatorInnen künftig selbst ernennen. Ein Kuhhandel? Vielleicht. Aber schlimm ist das nicht.

KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE

Koalitionäre kungeln miteinander permanent politische Inhalte aus. Das allein ist nicht verwerflich. Bei jedem Tausch kommt es darauf an, was da über den Verhandlungstisch geht. In diesem Fall ist es eine Herzenssache der Linken, die unter anderem niedrigere Hürden für landesweite Volksbegehren einfordern. Zu einer Lähmung des Parlaments wird es dennoch nicht kommen.

Und die gewachsene Macht für den Regierenden? Außer in Berlin werden derzeit nur im Bundesland Bremen die Regierungsmitglieder vom Parlament bestimmt und entlassen. Die Verfassungsänderung mag die SenatorInnen mehr an ihren Chef binden. Gekettet sind sie nicht an ihn. Wowereit wird auch künftig keine SenatorInnen einsetzen können gegen den geballten Widerwillen von Fraktion und Partei. Beide bilden weiterhin die Machtbasis. Und den Fall umstrittener SenatorInnen wird auch ein Regierender Bürgermeister nicht verhindern können – falls er dies überhaupt will.

Eine höhere Weisheit steckt hinter diesem Tauschgeschäft jedoch auch nicht. Dass dabei ausgerechnet zwei Machtfaktoren mehr Einfluss bekommen, ist Zufall. Beides ist lediglich Teil eines Deals. Wie im richtigen Leben.