Kita-Lobby überstimmt große Koalition

Jugendhilfe-Ausschuss lehnt Spar-Modell des Finanzressorts für die Reform der Erzieherinnen-Ausbildung ab – die Vertreter der großen Koalition sind in der Minderheit. Fachleute warnen: Ein Gratis-Anerkennungsjahr ersetzt keine qualifizierte Ausbildung

Bremen taz ■ Im Jugendhilfeausschuss der Bremischen Bürgerschaft ist die große Koalition überstimmt worden. Es geht in dem Streit um die Erzieherinnen-Ausbildung für die Kitas, und möglich ist diese kleine demokratische Sensation, weil in dem Ausschuss neben den Politikern, die an die Koalitionsraison gebunden sind, auch Fachleute sitzen.

Die „Anforderungen an Erzieherinnen“ sind gestiegen in den letzten Jahren, so weit herrscht Einigkeit unter Bremens SozialpolitikerInnen, den Fachleuten und den ErzieherInnen, die in den Kitas mit diesen gestiegenen Anforderungen konfrontiert sind. Bisher werden ErzieherInnen in zwei Jahren Fachschule ausgebildet, danach folgt ein bezahltes „Anerkennungsjahr“. Eigentlich müsse diese Ausbildung an die Fachhochschulen verlagert werden, Eingangsvoraussetzung müsse das Abitur sein, der Status der ErzieherInnen müsse auf das Niveau der GrundschullehrerInnen angehoben werden – das ist die verbreitete Forderung der Fachleute in der Frühpädagogik. In allen europäischen Ländern außer Deutschland und Österreich sei das auch so, sagt Jens Crueger, jugendpolitischer Sprecher der Grünen. Auch in Bremen wurde in der Bürgerschaft schon vor Jahren darüber debattiert – und das Thema vertagt mit Hinweis auf einen Berliner Modellversuch.

Nun drängt die Fachschule: Die Ausbildungszeit sei zu kurz, heißt es da, in der einjährigen Praxisphase seien die FachschülerInnen – bis auf wenige Ausnahmen sind es Frauen, die diesen Beruf anstreben – aus dem Einflussbereich der Schule hinaus. Der Finanzsenator, der in dem Anerkennungsjahr den Auszubildenden ein karges Salär zahlt, hat die Gunst der Stunde erkannt und die Streichung der Gelder gefordert – insgesamt rund eine Million Euro im Jahr. In den turbulenten Sitzungen des Koalitionsausschusses vor einem Jahr rutschte diese Streichung in die Protokolle des Koalitionsausschusses.

Die Senatorin will die Praxis-Phase integrieren in eine auf drei Jahre verlängerte Ausbildungszeit – als „Sparmodell“, sagen die KritikerInnen, würde das die Verschlechterung der Ausbildung bedeuten, also das Gegenteil dessen, was beabsichtigt war. Denn bisher haben die Kitas zwar Betreuungsaufwand für die AnerkennungspraktikantInnen, aber nach einigen Monaten Praxis können die meisten Azubis auch richtig mithelfen, bedeuten also wiederum eine Entlastung des Personals. Ein einjähriges Praktikum habe also für beide Seiten Vorteile.

Wenn die Praktikums-Phasen auf zwei oder drei Monate pro Ausbildungsjahr reduziert würden, bedeute das für die Kitas nur zusätzliche Arbeit und keine Entlastung. Die „Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtpflege“, in der die privaten Träger der Kitas zusammengeschlossen sind, lehnt die schlichte Streichung des bezahlten Anerkennungsjahres daher ab – und konnte in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am Dienstag mit ihrer Position die Mehrheit überzeugen. „Das war ein großer politischer Erfolg“, freut sich Jens Crueger. Bindend für die Verwaltung ist das Votum allerdings nicht.

„Ich kann die Argumente gegen das von der Senatorin vorgelegte Modell verstehen“, räumt Joachim Schuster, sozialpolitischer Sprecher der SPD, ein. Aber die Einsparungen seien nun einmal vom Koalitionsausschuss beschlossen worden, die ganze Sache in einem „Bearbeitungsprozess“. Im Ergebnis müsse vor allem die Ausbildung verbessert werden. kawe