Schwuler Krach um Muslim-Test

Türkischstämmige Homosexuelle kritisieren den Vorschlag des Lesben- und Schwulenverbandes, einen Einbürgerungs-Leitfaden einzuführen. Auch Innensenator hält Fragebogen für diskriminierend

von SANDRA COURANT

In der Interessenvertretung der Homosexuellen ist ein Streit ausgebrochen. Der Grund ist eine Forderung, mit der der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) jüngst überraschte: Er will den so genannten Muslim-Test aus Baden-Württemberg auch in der Hauptstadt einführen. Innerhalb des Verbandes regt sich jetzt Protest. „Der Test ist eine schwere Diskriminierung aller Muslime in Deutschland“, sagte Hakan Tas vom Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen des LSVD gestern.

Ein Verband, der gesellschaftliche Offenheit einfordert, empfiehlt bei anderen Gruppen restriktive Instrumente – über diese Haltung seien die türkischstämmigen Homosexuellen „erstaunt“, sagt Tas. Der LSVD reagiere auf die immer noch in allen Bereichen vorkommende Homophobie, indem er seinerseits eine Migrantenphobie schüre. „So mit Problemen in der Gesellschaft umzugehen ist nicht besonders konstruktiv.“

Ähnlich äußerte sich auch Eren Ünsal vom Türkischen Bund Berlin. Der Test polarisiere, anstatt die Toleranz zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu fördern, sagte Ünsal. Möglicherweise zeige das bereits der Streit innerhalb des Homosexuellen-Verbandes.

Alexander Zinn, Sprecher des LSVD, wies die Kritik zurück. Der Fragebogen in Baden-Württemberg sei kein Gesinnungstest, wie allgemein behauptet werde, sondern ein Gesprächsleitfaden. „Es ist richtig, dass die Einbürgerungswilligen nach ihrem Respekt vor Homosexuellen gefragt werden“, sagte Zinn. Gerade in Berlin nehme die Gewalt von Migranten an Lesben und Schwulen zu. Zwar könne hier Aufklärungsarbeit sicher mehr leisten als ein Muslim-Test, räumte Zinn ein. Falsch sei diese Art der Überprüfung aber dennoch nicht.

Der Ruf nach einem Muslim-Test stößt bei Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf taube Ohren. „Einen solchen Gesinnungstest wird es in Berlin nicht geben“, sagte sein Sprecher Martin Steltner gestern. Der Fragebogen sei nicht nur unwirksam, sondern diskriminierend. „Die dort formulierten Fragen unterstellen allen Mitgliedern einer Bevölkerungsgruppe, dass sie ihre Frauen schlagen oder homosexuellenfeindlich sind“, sagte Steltner.

Auch der Bundesverband der Lesben und Schwulen hat kein Verständnis für die Abweichler aus Berlin. „Der Test beeinträchtigt die Meinungsfreiheit“, sagte die Sprecherin des Bundes-LSVD, Renate Rampf. Ob jemand Ole von Beust oder Klaus Wowereit gut findet oder nicht, sei seine Privatsache und durch den Schutz der Meinungsfreiheit gedeckt.

Die Debatte bezieht sich auf einen Fragebogen, der in Baden-Württemberg seit Januar Einbürgerungswilligen vor allem aus muslimischen Ländern vorgelegt wird. Er enthält auch Fragen zur Akzeptanz von Homosexualität.

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