Linkspartei ruft Böger zur Ordnung

Das Plädoyer des Bildungssenators für ein Deutsch-Gebot auf Schulhöfen sorgt in der Koalition für Krach. Fachpolitiker von SPD und PDS protestieren. Auch der Migrationsbeauftragte hält Verbot für „nicht dienlich“. Verwaltung findet Prüfung unnötig

von ULRICH SCHULTE

Als geschliffener Redner ist der Bildungssenator bisher nicht aufgefallen, von anderen verlangt Klaus Böger aber die eingehende Beschäftigung mit Sprache. Der SPD-Senator stellt sich hinter die Weddinger Schule, die ihre Schüler per Hausordnung zum Deutschsprechen verpflichtet – und löst damit einen Streit in der rot-roten Koalition aus.

„Ein Sprachverbot ist diskriminierend. Es erklärt die Sprache der Kinder mit Migrationshintergrund für minderwertig“, sagt Evrim Baba, Mitglied im Linkspartei-Fraktionsvorstand. Statt zu integrieren, wirke die Klausel der Herbert-Hoover-Realschule kontraproduktiv: „Die Jugendlichen reagieren mit Trotz und isolieren sich noch mehr.“ Bögers Linie findet auch beim Migrationsbeauftragten des Senats wenig Verständnis: „Ein Sprachverbot ist nichts anderes als eine Verhinderung von Sprache – das kann der Verständigung nicht dienlich sein“, sagt Günter Piening.

Den Streit entfacht hat ein Satz, den Lehrer und Eltern der Herbert-Hoover-Realschule bereits vor 18 Monaten in die Hausordnung schrieben. Zur „Amtssprache der Bundesrepublik Deutschland“ heißt es da: „Jeder Schüler ist verpflichtet, sich im Geltungsbereich der Hausordnung nur in dieser Sprache zu verständigen.“ Die Deutschpflicht gilt an der Schule – mit speziellem Deutsch-Schwerpunkt – etwa auf Klassenfahrten oder auf dem Pausenhof.

Die PDS-Fraktion will jetzt ein klärendes Gespräch mit dem Bildungssenator führen. Für Baba ist klar: „So kann das nicht stehen bleiben.“ Die Bildungsverwaltung hält derzeit eine Prüfung für unnötig. Niemand habe sich über die Schulordnung beklagt, sagt ein Sprecher – im Gegenteil: „Mehr Eltern nichtdeutscher Herkunft haben ihre Kinder angemeldet.“

Und als ob ein Streit mit dem Koalitionspartner im Wahlkampf nicht reichen würde, wird auch innerhalb der SPD der Protest lauter. „Ich hätte das weicher formuliert, ein Verbot ist problematisch. Man kann ja zum Beispiel vereinbaren, kein Türkisch zu sprechen“, sagt Felicitas Tesch, die bildungspolitische Sprecherin – inhaltlich hat sie aber nichts an der Idee auszusetzen.

Dagegen argumentiert SPD-Migrationsfachmann Thomas Kleineidam: „Jugendliche aus Migrantenfamilien haben sowieso Probleme mit der Identitätsfindung zwischen Kulturen. Ein Verbot verstärkt nur Absetzbewegungen.“ Sein Fazit: Öffentlichkeitswirksame Einzelmaßnahmen seien „eher panische Reaktionen“ und „billige Alibipolitik“. Gegen eine Zielvereinbarung sei aber nichts einzuwenden: „Eine solche setzt einen Diskussionsprozess voraus, der die Kinder motiviert.“

Statt auf ein Sprachverbot von oben setzt auch Piening auf Mitwirkung von unten: Die Schule müsse Anreize geben und die Jugendlichen in ihrer Sprachwelt abholen, sagt er.

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