Erste deutsche Zeugen in Genua

Prozess gegen 28 Polizeibeamte wegen Misshandlung von Gipfelgegnern geht weiter

ROM taz ■ Mit der Anhörung eines britischen Journalisten und voraussichtlich zweier deutscher Zeugen geht heute der Prozess gegen 28 Polizisten in Genua weiter. Die Beamten sind angeklagt, am Rande des G-8-Gipfels von Genua am 21. Juli 2001 beim Sturm auf die von Gipfelgegnern als Schlafstätte genutzte Diaz-Schule zahlreiche Demonstranten misshandelt und einige schwer verletzt zu haben. Zudem haben die Einsatzleiter Beweise gefälscht: Sie brachten zwei Molotowcocktails mit, die sie dann in der Schule gefunden haben wollten, waren aber von einem Fernsehteam gefilmt worden.

Der mitternächtliche Einsatz war von großer Brutalität geprägt. Mehrere hundert Polizisten waren in die Schule eingedrungen, hatten die schon Schlafenden zusammengeknüppelt und in den Treppenhäusern eine wahre Menschenjagd veranstaltet. Am Ende mussten mehr als 60 Personen in Krankenhäuser eingeliefert werden. Einige waren – mit Lungenrissen, Schädelprellungen, ausgeschlagenen Zähnen, Rippen- und Armbrüchen – schwer verletzt.

Gegen 93 Personen wollte die Polizei Haftbefehl erwirken: Der Fund der Mollis wurde zum „Beweis“, dass in der Schule eine „kriminelle Vereinigung“ genächtigt habe. Schnell aber stellte sich heraus, wer die wirklichen Täter waren bei diesem Schlusspunkt unter die polizeiliche Gewaltorgie von Genua, der auch der von einem Beamten erschossene Carlo Giuliani zum Opfer gefallen war.

Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen 28 Polizisten. Seit Wochen nun laufen die Zeugenvernehmungen. Am letzten Mittwoch sagte eine Britin aus, wie sie und ihr Freund am Boden liegend zusammengeschlagen wurden. Das Mädchen trug einen Armbruch davon und ist wegen Angstzuständen noch heute in psychologischer Behandlung.

Heute nun soll zunächst der britische Journalist Mark Covell zu Wort kommen. Er war der Polizei noch vor dem Sturm auf die Schule auf offener Straße in die Hände gefallen. Obwohl er keine Gegenwehr leistete, wurde er zusammengeknüppelt und -getreten. Covell schwebte im Krankenhaus mehrere Tage zwischen Leben und Tod. Nach ihm sollen dann auch die ersten der 46 deutschen Zeugen vernommen werden, um über ihre Erlebnisse in der Schule zu berichten.

Angesichts der mehr als eindeutigen Beweislage dürfen die Angeklagten kaum auf Freisprüche hoffen. Eine letztinstanzliche Verurteilung müssen sie aber nicht befürchten: Die von Berlusconi durchgesetzte Verkürzung der Verjährungsfristen dürfte dem Verfahren spätestens nach der ersten Instanz den Garaus machen. MICHAEL BRAUN