Sarrazin zeigt Tempodrom-Kunststückchen

Der Finanzsenator überweist sieben Millionen Euro an die Landesbank für die Tempodrom-Bürgschaft – um Zinsen zu sparen. Die Finanzexperten des Parlaments lässt er außen vor. Nach heftigem Protest will er jetzt das Geld zurückholen

Mit Zahnpasta haben das Tempodrom und die Verhandlungen im Hauptausschuss natürlich nichts zu tun, sondern mit viel Geld. Dennoch hat das Sprachbild des CDU-Abgeordneten Alexander Kaczmarek Charme: „Wir müssen die Zahnpasta, die Sie aus der Tube gedrückt haben, jetzt wieder reindrücken – und, wie bei Zahnpasta üblich, gibt’s dabei Verlust“, sagte er gestern in der Ausschusssitzung und meinte damit den Finanzsenator.

Rausgedrückt hat Thilo Sarrazin (SPD) in diesem Fall viel Geld. Am Dienstag war öffentlich geworden, dass die Finanzverwaltung Ende Dezember 7 Millionen Euro auf ein Treuhandkonto der Landesbank Berlin (LBB) überwiesen hat. Das Geld fließe letztlich ins Tempodrom. Der Kreuzberger Kulturbau kostete nach mehreren Finanzspritzen des Landes 32 Millionen Euro, doppelt so viel wie geplant.

Bei der jüngsten Entscheidung habe er nur das Landesinteresse im Blick gehabt, sagt Berlins oberster Rechner. Der Grund: Durch die Vorabüberweisung spare die Landeskasse Zinsen „in einer Größenordnung zwischen 700.000 und 800.000 Euro“. Hinter dem „Geld-sparen-durch-Geld-zahlen-Plan“ steckt eine finanztechnische Überlegung – und die komplizierte Tempodrom-Vorgeschichte.

Die LBB finanzierte im Jahr 2000 einen Baukredit von 13 Millionen Euro, das Land bürgte damals für 10 Millionen Euro. Nach der Insolvenz des Kulturbaus 2004 könnte die Bürgschaft fällig werden – überweist das Land früh, kommt das billiger als eine späte Auszahlung samt Zinsen. Zumal die Summe „unter Vorbehalt“ überwiesen wurde, sagt Sarrazin. „Rechtlich haben wir den Zugriff. Wenn wir wollen, ist das Geld morgen wieder bei uns.“

Sarrazin hat die Zahlungsweisung am Parlament vorbeigezirkelt – obwohl dies anders verabredet war. Ebenfalls im Dezember hatte der Finanzsenator mit dem Haushaltsausschuss vereinbart, die Parlamentarierer über alle Zahlungen mit dem Verwendungszweck Tempodrom vorab zu informieren.

Bei dem sensiblen Thema sind die Abgeordneten zu Recht misstrauisch. Im Untersuchungsausschuss stellte sich heraus, dass die LBB nachlässig gewirtschaftet und geprüft hat, weshalb längst nicht klar ist, ob das Land tatsächlich für die Bürgschaft aufkommen muss. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Betreiber, Verwaltungsangestellte und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers. Für eine „ausgemachte politische und prozesstaktische Dummheit“ hält der CDU-Abgeordnete Kaczmarek die Idee des Senators angesichts der unklaren Rechtslage. Sein Fazit: Das Geld muss zurück aufs Landeskonto.

Zu dieser Schlussfolgerung kamen alle Abgeordneten im Hauptausschuss, auch wenn sich die Regierungsfraktionen mit Kritik am Senator zurückhielten. Einstimmig fiel der Beschluss, die Verwaltung aufzufordern, die 7 Millionen Euro so schnell wie möglich zurückzubuchen. Sarrazin gab sich einsichtig: „Wenn die Geschichte so sensibel ist, habe ich kein Problem damit, die Zahlung rückgängig zu machen.“ ULRICH SCHULTE