Holocaust-Gedenktag gilt nur einmal

Gericht erlaubt generelles Verbot rechter Demonstrationen nur am 27. Januar. Rechter Aufzug kann heute stattfinden

BERLIN taz ■ Die zeitliche Nähe einer rechten Demonstration zum Holocaust-Gedenktag ist kein Grund, die Kundgebung zu verbieten. Dies entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren. Eine für heute in Lüneburg geplante Demonstration kann daher stattfinden. Holocaust-Gedenktag war gestern, am 27. Januar.

Die von dem bekannten Hamburger Neonazi Christian Worch angemeldete Demonstration hat das Motto „Keine Demonstrationsverbote – Meinungsfreiheit erkämpfen“. Der Stadt Lüneburg lagen Erkenntnisse vor, dass eigentliches Thema der Kundgebung die Abschaffung des Volksverhetzungs-Paragrafen sein sollte. Die Stadt verbot die Demonstration, Worch klagte.

Die Verwaltungsgerichte in Niedersachsen hielten das Verbot für rechtmäßig. Die Forderung nach Straffreiheit der Volksverhetzung sei „in besonderer Weise geeignet, den weit überwiegenden Teil der Bevölkerung in Deutschland zu provozieren“, urteilte das Lüneburger Oberverwaltungsgericht.

Eine solche Demonstration dürfe nicht in engem Zusammenhang mit dem Holocaust-Gedenktag stattfinden, weil dies geeignet sei, die Ehre der NS-Opfer zu missachten und „das Anstandsgefühl der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu verletzen“. Dadurch wäre nach Ansicht der Lüneburger Richter die „öffentliche Ordnung“ verletzt.

Diese Argumentation wies das Verfassungsgericht in Karlsruhe nun zurück. Die bloße Verknüpfung eines provokativen, aber zulässigen Demonstrationsthemas mit der zeitlichen Nähe zum 27. Januar genüge nicht, die Demonstration zu verbieten. Der Schutz der öffentlichen Ordnung könne hier nicht als Verbotsgrund dienen. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit würde sonst verletzt.

Karlsruhe konkretisierte damit eine Entscheidung von 2001. Damals hatte das Gericht es für zulässig erachtet, einen von Worch in Hamburg angemeldeten Info-Tisch am 27. Januar zu verbieten. Seitdem versuchen Behörden und Gerichte immer wieder, diese Entscheidung als Vorbild für ähnliche Verbotsbegründungen zu nutzen. Dem versuchte das Gericht nun einen Riegel vorzuschieben.

Die rechtsradikale Demonstration kann heute stattfinden. Der Versammlungsbehörde wurde aber erlaubt, Auflagen auszusprechen. Das Lüneburger Netzwerk gegen Rechtsextremismus meldete eine Gegendemonstration an, zu der 3.000 Teilnehmer erwartet werden. CHRISTIAN RATH