Kein Einfluss

VON ULRIKE WINKELMANN

Erstens: Es ist nur eine Zwischenbilanz. Der Abschlussbericht Ende dieses Jahres wird bestimmt besser aussehen. Zweitens: Die Auswertung geht nur bis Juni 2005. Das ist alles gar nicht mehr aktuell. Drittens: Die Bundesregierung handelt bereits. Die Gesetze wurden schließlich auf Widerruf gemacht. Das ist lernende Politik!

So weit die Kurzfassung dessen, was insbesondere die SPD zum Auswertungsbericht der Arbeitsmarktreformen Hartz I bis III sagt. Sie wird ihre Beschwichtigung noch oft vortragen müssen – denn der Bericht fällt vernichtend aus.

Die Gesetze Hartz I und II traten 2003 in Kraft: Sie regelten die Leih- und Zeitarbeit neu, schufen die Mini- und Midijobs und den Existenzgündungszuschuss „Ich-AG“. Mit Hartz III wurde ab Anfang 2004 die Bundesanstalt für Arbeit mit ihren 90.000 Mitarbeitern umgebaut. Sie heißt seither Bundesagentur für Arbeit (BA).

Mit der Evaluation dieser Gesetze wurden 2002 rund 20 Forschungsinstitute beauftragt. Die haben zum Juni 2005 einen 2.500-seitigen Zwischenbericht erstellt, dessen Zusammenfassung auf 250 Seiten seither das Arbeitsministerium beschäftigte. Kurz vor Silvester sickerten zwar Einzelheiten durch. Doch offiziell landete der Bericht gestern im Kabinett – und wird auch dem Bundestag zugeschickt. „Natürlich wird’s ein Riesengeschrei geben“, verlautet es aus dem Ministerium.

So hat zum Beispiel die Förderung der Leiharbeit durch Personal Service Agenturen (PSA) offenbar nicht funktioniert. Auch die Vermittlungsgutscheine, mit denen die Arbeitslosen zu privaten Vermittlern laufen sollten, haben kaum jemandem geholfen (siehe Interview unten).

Sämtliche neu geschaffene Maßnahmen speziell für ältere Arbeitnehmer hatten bislang „keinen Einfluss“, also keinen messbaren Erfolg. So müssen Arbeitgeber für Arbeitnehmer ab 55 keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge mehr zahlen. Für Arbeitnehmer, die mit über 52 noch neu eingestellt werden, ist der Kündigungsschutz faktisch abgeschafft. Es gibt Lohn- und Rentenbeitragszuschüsse, die „Entgeltsicherung“ für Arbeitnehmer über 50.

Zu Letzterer zum Beispiel bemerkt der Bericht: „Die Führungskräfte in den Agenturen sehen in ihr ein weiteres Instrument in einem ohnehin schon überbordenden Instrumentarium aktiver Arbeitsmarktpolitik.“ Die Arbeitsagenturen, bestätigt das Ministerium, hätten offenbar die neuen Mittel nicht „offensiv eingesetzt“. Als erfolgreich erwiesen sich einzig die längst eingeführten „Eingliederungszuschüsse“.

Die Umstrukturierung der BA wird als richtiger Weg bezeichnet – der jedoch sehr, sehr holprig ausfällt. Die schweren Mängel an der Software, die sowohl die interne Arbeit als auch für die Arbeitslosen die Suche im „virtuellen Arbeitsmarkt“ erleichtern sollte, mögen schon behoben sein oder werden jetzt behoben.

Doch stellt der Bericht auch fest, dass die BA-Reform dazu geführt hat, dass gerade die benachteiligten Arbeitssuchenden – die so genannten Betreuungskunden – die geringste Aufmerksamkeit erhalten. Denn die BA konzentriert sich auf die Kunden, die sie gut vermitteln kann – und entlastet dadurch ihren eigenen Etat. Die älteren oder immobilen Kandidaten dagegen, die vermutlich ohnehin bald im Arbeitslosengeld II landen und dann aus Steuermitteln finanziert werden, erhalten nur noch wenig Betreuung.

Einziger echter Lichtblick des Berichts sind die Existenzgründer: Denn sowohl die Unterstützung für Ich-AGs als auch das Überbrückungsgeld wurden gerne in Anspruch genommen. Nur wurde die Ich-AG-Förderung ja bereits stark eingeschmolzen. Und Mitte des Jahres will die große Koalition sie noch einmal reformieren.