Jahresausblick mit Schlaglöchern

Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer legt den Einjahresplan für 2006 vor. Große Themen gibt es nicht, dafür um so mehr Schlaglöcher und Verzögerungen

Erinnert sich noch wer an den Berliner Architekturstreit? An den ewig polternden Senatsbaudirektor Hans Stimmann? An den unrühmlichen Streit ums Tempodrom? All das waren einmal Themen, für die in Berlin die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung stand – immerhin eine der größten Behörden der Bundesrepublik Deutschland.

Doch diese Behörde scheint, das zeigte der gestrige Jahresausblick ihrer Senatorin, nicht mehr so recht benötigt zu werden. Große Themen? Mangelware! Stattdessen bewegte Ingeborg Junge-Reyer wie auch manchen Journalisten die Sorge, ob das „Schlagloch-Sofortprogramm“ auch 2006 wieder mit 2 Millionen Euro aus der Wirtschaftsförderung rechnen kann.

Ganz oben auch die Frage, wann mit der Eröffnung des Tiergartentunnels zu rechnen ist. Die Antwort von Junge-Reyer: „Der Probebetrieb läuft. Wenn er ohne Probleme weiterläuft, kann ich Ihnen in drei bis vier Wochen einen neuen Eröffnungstermin bekannt geben.“ Zur Erinnerung: Eigentlich sollte der Autotunnel unter dem Potsdamer Platz und dem Lehrter Bahnhof nach jahrelanger Verzögerung im September 2005 in Betrieb gehen. Doch dann tauchten Fehler in der Software zur Verkehrssteuerung auf. Geht das so weiter, wird aus der Perspektive der Stadtentwicklungsverwaltung die Metropole Berlin endgültig zur Kommune.

Das liegt nicht zuletzt auch an der Senatorin selbst. Zwar gehört zur Bilanz von Junge-Reyer, die vor zwei Jahren Peter Strieder ablöste, ein glückliches Händchen bei lange aufgeschobenen Entscheidungen wie bei der „Topographie des Terrors“. Visionen für die Zukunft aber scheinen ihre Sache nicht. So war das wirklich spannende Thema im Jahresausblick 2006 eher versteckt. „Wir werden eine Zunahme an älteren Berlinerinnen und Berlinern haben“, so die Senatorin. „Meine Verwaltung rechnet damit, dass in 15 Jahren bis zu 100.000 Wohnungen mehr als heute von Älteren nachgefragt werden.“

Nur, was heißt das? Warum nicht ein solches Thema bündeln, ressortübergreifende Arbeitsgruppen bilden, Diskussionen anzetteln, eine Agenda entwerfen. Stattdessen nur dieses: „Auch für diese Gruppe gilt, dass die Innenstadt als Wohnort bevorzugt wird.“ Aber das hätte vielleicht auch niemanden interessiert. Viel wichtiger war schließlich die pünktliche Fertigstellung des Verkehrsleitsystems zur Fußball-WM. Immerhin, so Junge-Reyer, beginne die Beschilderung der Autobahnen in Brandenburg in der kommenden Woche. Dann steht dort ebenfalls ein Hinweisschild „Berliner Olympiastadion“.

Blöd nur, dass es auch WM-bedingte Verspätungen gibt. Die Eröffnung von „Alex zwei“, der Straßenbahnverlängerung von der Prenzlauer Allee bis zum Alexanderplatz, wird sich wegen der Unterbrechung der Bauarbeiten von Dezember 2006 auf Mai 2007 verschieben. UWE RADA