Bulgarien präsentiert sich als Musterschüler

Der Innenminister wirbt für den EU-Beitritt seines Landes zum 1. Januar 2007 und verweist auf Reformerfolge

BERLIN taz ■ Glaubt man dem bulgarischen Innenminister Rumen Petkow, dürfte dem Beitritt seines Landes zur Europäischen Union am 1. Januar 2007 nichts mehr im Wege stehen. „Unser Beitritt zum geplanten Termin ist eine Notwendigkeit“, sagte der Minister am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Zur Begründung verwies Petkow, der sich zuvor unter anderem zu einem Meinungsaustausch mit seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble getroffen hatte, auf die Fortschritte bei der Angleichung der bulgarischen Gesetze an EU-Standards. Dazu zählt auch die Novellierung der Strafprozessordnung.

Auch im laut Petkow „kompromisslos geführten“ Kampf gegen Korruption seien Erfolge zu verzeichnen. So seien gegen 142 Polizisten Disziplinarmaßnahmen ergriffen und 47 Fälle an die Militärstaatsanwaltschaft weitergeleitet worden.

Mit besonderem Nachdruck betonte Petkow, dass die Außengrenzen Bulgariens sicher seien. So seien 2005 2.300 Kilogramm Drogen auf ihrem Weg nach Westeuropa sichergestellt worden. Allein in den vergangenen drei Monaten habe die bulgarische Grenzpolizei Zigaretten im Wert von 4 Millionen Euro sowie 100 Kilo Gold und 30 Kilo Silber abgefangen.

Kritik daran, dass in Bulgarien in Sachen so genannter Auftragsmorde die Ermittlungen bislang weitestgehend ins Leere liefen, wies der Minister energisch zurück. In den vergangenen vier Monaten seien drei derartige spektakuläre Morde aufgeklärt worden, die Gesamtzahl belaufe sich auf 23. „Zu dem Reformprozess gibt es keine Alternative. Wir wissen, dass das Endergebnis von uns abhängt. Aber wir haben den politischen Willen, alle anstehenden Probleme zu lösen“, sagte Petkow.

Genau diesen politischen Willen sprechen einige Beobachter der bulgarischen Regierung unter Führung der Sozialisten ab. So machte zuletzt der unbekannte Autor eines in Brüssel kursierenden Papiers die nach wie vor intakten und für beide Seiten profitablen Verbindungen zwischen der politischen Klasse und den kriminellen Strukturen ehemaliger kommunistischer Staatssicherheitsorgane als Hemmschuh für den Reformprozess aus. Nach diesen Allianzen befragt, blieb der Minister eine Antwort schuldig.

Petkows positives und optimistisches Bild von dem bisher Erreichten überzeugt jedoch bei weitem nicht alle in Brüssel. So forderte die österreichische EU-Ratspräsidentschaft Sofia erst vor wenigen Tagen auf, zusätzliche Maßnahmen zur Reform des Rechtssystems und im Kampf gegen das organisierte Verbrechen zu ergreifen. Ein Bericht des Open Society Institute kommt zu dem Ergebnis, dass Bulgarien im Bereich Justiz mit den Reformen hinterherhinke. Der Mangel an Koordination sei das Hauptproblem, das die Zusammenarbeit der Institutionen behindere, sagt Martin Gramatikovder vom Open Society Institute. Zwar seien zahlreiche Normen rechtzeitig angenommen worden, die Qualität lasse jedochzu wünschen übrig.

In den kommenden Monaten wollen Bulgariens Justiz- und Innenminister der EU-Kommission sowie die Vertreter der 25 Mitgliedstaaten regelmäßige Berichte über die Fortschritte beim Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität vorlegen. Für Ende Mai wird der entscheidende EU-Fortschrittsbericht zu Bulgarien erwartet, auf dessen Grundlage dann über einen Beitritt am 1. Januar 2007 oder am 1. Januar 2008 entschieden wird.

BARBARA OERTEL