Bushs Ölverzicht düpiert die Produzenten

Als Reaktion auf die Rede des Präsidenten droht die Opec mit Investitionsstau. Dabei meint Bush es wohl nicht so ernst

WASHINGTON taz ■ Die Ölproduzenten in den Opec-Staaten reagierten pikiert. Wenn die USA in Zukunft weniger Öl im Nahen Osten kaufen, werde man in der Organisation der Erdöl exportierenden Länder (Opec) dringend nötige Investitionen in Fördertechnik verzögern, hieß es unter Opec-Delegierten. Das berichtete zumindest die Financial Times.

Anlass des Ärgers: Bush hatte am Dienstagabend angekündigt, die Abhängigkeit der USA vom Importöl zu beenden. In seiner knapp einstündigen Ansprache zur Lage der Nation sagte Bush, er werde dafür sorgen, dass 75 Prozent der Importe aus dem Nahen Osten bis 2025 ersetzt werden.

66 Prozent des in den USA verbrauchten Öls stammt gegenwärtig aus fremden Quellen. Im Vergleich zum Jahr 2000 ein zehnprozentiger Anstieg. Jährlich fließen 25 Milliarden Dollar gegen Öl in die Golfregion, das sind rund 200.000 Dollar die Minute. „Seit den 70er-Jahren sieht sich jede US-Administration mit steigenden Ölimporten und den Herausforderungen konfrontiert, darauf politisch reagieren zu müssen“, sagte in der New York Times Buchautor und ÖlexperteDaniel Yergin.

Auch Bush thematisierte die Ölabhängigkeit der USA bislang in jeder seiner Jahresansprachen, aber noch nie sprach er von einem Ersatzmix aus Ethanol und Atomenergie. Im Kapitol reagierten jedenfalls sowohl die Demokraten als auch die Republikaner mit nur wenig Begeisterung und lauten Zweifeln an der Umsetzbarkeit von Bushs Energieplan. Umweltorganisationen werfen Bush vor, die Nation systematisch weg von der Entwicklung alternativer Energien und hin zur Abhängigkeit von fossilen Import-Brennstoffen gelenkt zu haben.

Dass sein Plan alles andere als ernsthaft sei, beweise das erst vor wenigen Monaten gezeichnete US-Energie-Gesetz. Den Vorstoß des demokratischen Senators Jeff Bingaman, die US-Energieversorger zu verpflichten, bis 2020 jeweils zehn Prozent ihrer Energie aus erneuerbaren Ressourcen zu generieren, hatte Bush vehement abgelehnt. Zudem habe er in der letzten Lesung des Gesetzes einen vom Senat geschriebenen Paragrafen gestrichen, der vorsah, dass bis 2015 die täglich verbrauchte Menge um eine Millionen Barrel Öl sinken müsse.

Bush hingegen, der viele Jahre für die texanische Ölindustrie tätig war, sicherte den in seinem Wahlkampf spendablen Ölmultis weiterhin eine profitreiche Zeit. Gestern kündigte Vizepräsident Dick Cheney in einem Radio-Interview zudem an, die Administration werde erneut versuchen, die umstrittenen Bohrungsrechte im Arktischen Naturreservat freizugeben.

Absurd erscheint nun, dass unter den gegenwärtig geltenden Gesetzen die US-Ölindustrie das in den USA geförderte Öl sogar exportiere. Darauf macht der US-Bund für Steuerzahler und Verbraucherrechte aufmerksam. Und er will recherchiert haben, dass US-Firmen diese Lücke nutzen, um Gas- und Heizölpreise auf dem amerikanischen Markt hoch zu halten.

Tatsächlich zeigen Daten des US-Energieministeriums, dass Ölfirmen in den ersten sieben Monaten des Jahres 2005 rund 1,5 Milliarden Barrel Öl mehr an Heizöl exportierten als zuvor.

Natürlich ist Bushs Vorhaben, Forschungen zu Solarstrom, Ethanol und „Null Emissions“-Kraftwerken finanziell zu fördern, ein Schritt in die richtige Richtung. Doch fragen sich Kritiker, warum um Himmels willen die Administration ein paar Groschen in einige wenige Forschungsprojekte stecken will, anstatt mit gezielten Steuern rigoros Verbraucher, Autoindustrie und Kommunen zum Umdenken zu zwingen. ADRIENNE WOLTERSDORF