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: Pause zum Nachdenken

Der Ärztestreik in dieser Woche – der offiziell keiner ist, weil Ärzte nicht streiken dürfen – sorgt schon vorab für große Aufregung. Krankenkassen kritisieren die Ärzte, die ihr Tun wiederum verteidigen. Dabei zeigt der Protest der niedergelassenen Ärzte nur, was schon die Aktionen der Klinikärzte ankündigten: Im Gesundheitswesen werden die Verteilungskämpfe härter. Schlimm ist das nicht. Denn dies macht allen Beteiligten – Ärzten und Patienten, Politik und Industrie – den Ernst der Lage bewusst: Die Ressourcen sind endlich, das Gesundheitswesen kann nicht ewig wachsen.

KOMMENTAR VON RICHARD ROTHER

Zunächst haben die Ärzte, wie jede andere Berufsgruppe auch, das Recht, ihre Interessen öffentlich zu vertreten. Dass sie dabei zum Mittel der Praxisschließung greifen, mag vielen nicht gefallen. Aber wirklich einschneidend ist das nicht. Auch während des Streiks werden zahlreiche Praxen geöffnet sein, im Zweifel allerdings in einem anderen Stadtteil. Da müssen die Berliner auf sich nehmen, was für viele Brandenburger längst Alltag ist: eine weite Anreise zum Arzt.

Ob die Ärzte mit ihren Forderungen bei ihren Patienten auf offene Ohren stoßen, ist fraglich. Zwar möchte jeder Patient für sich die allerbeste Behandlung, aber mehr kosten – in Form höherer Beiträge oder Zuzahlungen – soll das Ganze nicht. Die Erfüllung der Ärzte-Forderungen ist aber nicht umsonst zu haben; deshalb wird sich das Mitleid der Versicherten, die in der Regel deutlich weniger als Ärzte verdienen, in Grenzen halten.

Wenn Ärzte und Patienten die Streikwoche als Pause zum Nachdenken nutzen, wie ein gutes und solidarisches Gesundheitssystem weiterhin finanzierbar ist, hat der Ausstand der Ärzte auch sein Gutes. Mancher Patient wird einsehen, dass man nicht wegen jeder Kleinigkeit die Meinung von drei Fachärzten einholen muss. Und mancher Mediziner wird merken, dass weniger mehr sein kann. Nicht nur beim Verschreiben.