Allianz wird europäisch und baut um

Deutschlands größter Konzern wird zur „Europa AG“. Mit der neuen Gesellschaftsform sollen die Gewinne steigen. Auch die Mitbestimmung könnte abgebaut werden. Doch Konzernchef Diekmann dementiert. Ver.di will trotzdem protestieren

VON BEATE WILLMS

Das letzte Wort haben die Aktionäre. Morgen sollen die Anteilseigner der Allianz AG auf einer außerordentlichen Hauptversammlung in Düsseldorf entscheiden, ob der Versicherungskonzern zu einer so genannten Europa AG wird. Die Zustimmung der Aktionäre gilt als sicher – und ist nur der erste Schritt zum radikalsten Umbau in der Geschichte des Konzerns. Das Ziel formuliert Konzernchef Michael Diekmann so: Die Allianz soll internationaler, einheitlicher und übersichtlicher werden. Vor allem aber soll sie mehr Geld verdienen: Schon für 2007 erhofft Diekmann einen Mehrgewinn von 200 Millionen Euro, 2008 sollen es 400 Millionen sein – und damit ein Nettokonzerngewinn von 5,91 Milliarden Euro. Ab 2009 rechnet der Konzernchef mit einem Plus von 600 Millionen Euro jährlich.

Die Aktionäre der italienischen Riunione Adriatica di Sicurtà (RAS) haben der Fusion bereits zugestimmt. Geht morgen in Düsseldorf alles nach Plan und stimmt die Hauptversammlung einer Kapitalerhöhung zu, bekommen sie 3 Allianz- für 19 RAS-Aktien. Die Anteilseigner der Allianz AG werden automatisch Aktionäre der Allianz Europa AG, die dann Allianz SE (Societas Europea) heißt.

Mit wesentlich mehr Änderungen müssen die Beschäftigten rechnen. Da ist zum einen die neue Rechtsform. Der größte Konzern Deutschlands ist die erste deutsche Aktiengesellschaft, die sich in eine SE verwandelt. Als SE könnte die Allianz das deutsche System von getrenntem Vorstand und Aufsichtsrat zugunsten des gemeinsamen angelsächsischen Boards abschaffen und damit den Einfluss der Arbeitnehmervertreter einschränken. Das werde sie aber nicht tun, sondern weiter auf das zweigliedrige System setzen. „Wir haben uns auch bewusst für eine Beibehaltung der paritätischen Mitbestimmung entschieden“, sagt Diekmann. Er halte die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiter für „richtig und wichtig“. Wie die Mitbestimmungsordnung genau aussehen soll, diskutieren Arbeitnehmervertreter aus den Allianz-Gesellschaften derzeit in einem besonderen Gremium. Das Ergebnis soll Mitte März vorliegen.

Bereits klar scheint, dass das Management europaweit zu vereinheitlichen. Damit könne leichter Kapital beschafft werden. Auch der Aufsichtsrat werde verkleinert: Statt 20 sollen dort nur noch 12 Mitglieder aus verschiedenen Ländern sitzen.

Die zweite, vielleicht noch wichtigere Änderung für die Beschäftigten sind die Pläne des Konzernchefs für Deutschland. Diekmann will das Versicherungsgeschäft grundlegend umbauen. Das ist besonders heikel, weil es sich um das Herzstück des Konzerns handelt – und um einen der absoluten Gewinnbringer. 2005 steuerten die Versicherungen ein Drittel der Bruttoerlöse und einen Nettogewinn von 2,3 Milliarden Euro zum Konzernergebnis bei. Dabei agieren die Lebens-, die Kranken- und die Sachversicherung mit ihren 38.000 Beschäftigten bislang dezentral und autonom. Sie sollen nun in einer Holding zusammengefasst werden. Auch der Vertrieb wird zentralisiert und und in die Holding integriert.

Völlig unklar ist, was der Umbau für die Zahl der Arbeitsplätze bedeutet. Man wolle keine „Pauschalzahl“ in die Welt setzen, erklärte Diekmann. Zunächst müssten alle Unternehmensbereiche analysiert werden. Was dabei herauskommen kann, zeigt die bereits abgeschlossene Überprüfung des Vertriebs: 24 der 114 Geschäftsstellen werden zugemacht, ein Drittel der 2.100 Stellen fallen weg. Kündigungen hat Diekmann lediglich für das laufende Jahr ausgeschlossen. Darüber hinaus gibt es weder Beschäftigungs- noch Bestandsgarantien.

„Eine solche Personalpolitik hat es in der Allianz noch nicht gegeben“, kritisiert Uwe Foullong, Finanzexperte der Gewerkschaft Ver.di. Seit die Pläne vor fünf Monaten bekannt wurden, arbeiteten die Beschäftigten in „Unsicherheit und Angst“. Für die Hauptversammlung hat Ver.di deshalb zu Protesten aufgerufen.