Ohne Gravitationszentrum

Beim Club Transmediale spielten mit Blindsnake, Orthrelm und Al Naafiysh Bands, die den Heavy Metal via Abstraktion und Minimalismus auf ein neues Level heben wollten. Leider wirkte das oft schulmeisterlich und zwang nicht zum Faustballen

VON ANDREAS HARTMANN

Metal soll es richten. Auch in eigentlich Metal-fernen musikalischen Bereichen verspricht man sich von seiner Genre-immanenten Aggressivität einen Weg, der aus der Starre führen soll. Im Rahmen des Club Transmediale sollte am Sonntag der Themenabend „The Metal Gravitron“ versuchen, anhand unterschiedlicher Metal-Paradigmen aufzuzeigen, wie frisch und aufregend die lange Zeit als wertkonservativ verschriene Stilrichtung sein kann – wenn man sie nur gehörig abstrahiert.

So richtig gelingen wollte das aber leider nicht. Metal ist per se angelegt als ein einziger Budenzauber, als große Effektmaschine, vergleichbar mit opulentem Hollywoodkino. Die Bands beim „Metal Gravitron“ streiften jedoch, um im Bild zu bleiben, teilweise arg an die Grenze zum anämischen Cineastenquatsch.

Das deutsch-amerikanische Trio Blindsnake aus Jason Forrest, Ignaz Schick und Aaron Snyder versuchten sich in einem Subgenre, das man vielleicht Grindcoretronics nennen könnte. Metal wurde als Quell unbändiger Kräfte beschworen, laut und brutal. Das Schlagzeug ging nach vorne, während Forrest und Schick eifrig ihre elektronischen Zauberkästchen malträtierten, was ihnen sichtbar großen Spaß bereitete, aber im Publikum niemanden wirklich mitriss – dazu wirkte das Ganze einfach zu ausgedacht. Einen ganz anderen Weg schlugen Orthrelm aus den USA ein – mit ihrem Ansatz, sich nur mit Schlagzeug und Gitarre bewehrt Miniaturversatzstücke aus Metalsolos vorzunehmen und diese wie eine Etüdenfolge vorzutragen.

Das war von der Idee her interessant, ob des beflissenen Herunterspielens der Versuchsanordnung aber doch einfach langweilig: Stoisches Getrommel traf auf endlos wiederholte, perfekt gegniedelte Gitarrenriffs – der Musikschullehrer wäre begeistert gewesen. Klischees wie das notorische Metalsolo und die Doublebass wurden zu eindrucksvollen Vorführeffekten, gleichzeitig ironisch und bierernst. Man dachte „Aha!“ und „Oho!“ – und: Könnten die nicht auch etwas anderes als Fingerübungen auf der Bühne machen?

Die holländischen Naafiysh blieben ebenfalls dem Thema des Abends treu, Metal wie im Anschauungsunterricht zu zerpflücken. Sie widmeten sich dem im harten Rock so beliebten Intro – eigentlich war ihr ganzer Auftritt ein einziges ewiges Intro, eine Aneinanderreihung fetter Gitarren-Vierton-Riffs, ein fast einstündiger monotoner Spannungsaufbau. Erlösung gab es erst ganz zum Schluss, als der Drummer dann doch noch ein wenig sang und einem erst richtig bewusst wurde, worauf man eigentlich die ganze Zeit gewartet hatte. Auf das, was an diesem Abend dennoch komplett fehlte: richtiger Metal.