Föderalismusreform schädigt Umwelt

Experten aus CDU, CSU und SPD sind sich mit Wirtschaft, Umweltverbänden und Wissenschaft einig: Die Föderalismus-reform funktioniert nicht beim Umweltrecht. Investitionen würden schwierig und die Umweltstandards abgesenkt

BERLIN taz ■ Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sind sich einig: Die geplante Föderalismusreform schadet der Umwelt und der Wirtschaft. Zumindest diese Reform: Beide Ressortchefs meldeten „erheblichen Diskussionsbedarf“ bei den zuständigen Kollegen an – Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD).

Land oder Bund – es geht um die Frage, wer künftig was zu bestimmen hat. Laut Reformplan soll die Bundesregierung zwar die gesetzgebende Hoheit etwa bei der Luftreinhaltung und beim Lärmschutz behalten. Beim Naturschutz oder dem Wasser-Recht soll der Bund aber seine Zuständigkeiten an die Länder abgeben. Bisher hatte der Bundestag durch die so genannte Rahmengesetzgebung auch dort etwas zu sagen: Berlin definierte Mindeststandards. Künftig soll den Ländern eine „Abweichgesetzgebung“ ermöglicht werden. Damit erhalten die Länder einen enormen Gestaltungsspielraum.

Wirtschaftsminister Glos prognostiziert „sich ständig widersprechende gesetzliche Regelungen, die zu erheblichen Hemmnissen für die deutsche Wirtschaft führen“. Dies sieht der grüne Fraktionsvize Reinhard Loske genauso: „Ein Flickenteppich im Umweltrecht hat bundesweit uneinheitliche Umweltstandards zur Folge.“ Zwar werden die Grünen mit der CSU „über Umweltstandards im Detail nicht immer einer Meinung sein“, schrieb Loske an Minister Glos. Aber man sei sich beim Ziel einig, einheitliche Vorgaben durch ein schlankes Umweltrecht zu erreichen. Sonst werde Deutschland Schaden nehmen.

Heute tag der Umweltausschuss des Bundestags. Dort wird der Sachverständigenrat für Umweltfragen seine Bedenken vortragen. Bereits in einer ersten Stellungnahme im letzten Jahr wurde der vorgesehene Kompetenzkatalog für den Umweltschutz als „lückenhaft und unsystematisch“ bewertet. „Die umweltpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik“ werde geopfert.

Einwände kommen aber nicht nur von Umweltexperten, sondern auch aus der Wirtschaft. „Umgesetzt würde diese Reform bedeuten, dass ein Unternehmen erst 16 verschiedene Landesgesetze prüfen muss, bevor es investiert“, sagt Thomas Hüne vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Ein einheitliches, effizientes Umweltrecht trage dagegen zur Standortstärkung bei. Kommende Woche will der BDI seinen „Diskussionsbeitrag“ leisten und ein eigenes Gutachten präsentieren.

Die Fachleute von Union und SPD, Wissenschaft und Wirtschaft sind sich also einig. Fragt sich: Wie konnte die Föderalismusrefom so zu Lasten der Umwelt gehen? Die Deutsche Umwelthilfe spricht von „schlampiger Arbeit“. Die umweltpolitische Sprecherin der CDU, Marie-Luise Dött, drückt sich weniger drastisch aus, aber auch sie sieht „handwerkliche Fehler“. Da allerdings scheint die schöne Eintracht zu Ende: Während Dött glaubt, die Fehler im normalen Gesetzgebungsverfahren beheben zu können, fordern Umwelthilfe und Industrie eine ganz neue Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern.

NICK REIMER