In der Koalition hängt der Haussegen schief

Geplanter Verkauf von 15.200 landeseigenen WBM-Wohnungen führt zu handfestem Koalitionskrach. Linkspartei wirft SPD „Akt der Verzweiflung“ vor. Opposition fordert von Senatoren Rechtfertigung. Ausschuss tagt kommende Woche

Der Streit um geplante Wohnungsverkäufe der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) verschärft sich. Die Linkspartei-Fraktion wirft dem Senat vor, zu spät über die kritische Finanzlage der WBM informiert zu haben. Statt überstürzter Verkäufe von bis zu 15.200 Wohnungen müsse ein Sanierungskonzept her, das den Fortbestand des Unternehmens gewährt. Auf Antrag von CDU, Grünen und FDP soll sich der Senat in der kommenden Woche in einer Sondersitzung des Beteiligungsausschusses erklären.

Auch die Stadtentwicklungs-Expertin der Linkspartei, Jutta Matuschek, befürwortet eine Ausschusssitzung. „Der Senat darf vor seiner politischen Verantwortung nicht abtauchen, indem er auf die Eigenständigkeit der WBM verweist. Er muss den Parlamentariern sein Sanierungskonzept vorlegen.“ Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer und ihr Finanzkollege Thilo Sarrazin (beide SPD) vertreten den Senat im Aufsichtsrat des mit 1,2 Milliarden Euro verschuldeten Unternehmens.

In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass die WBM bis zu 50 Prozent mehr Wohnungen verkaufen will als im November 2005 angekündigt. Damals war von 10.000 Wohnungen die Rede. Der Senat verteidigt die Zahl von 15.200 Immobilien als „Obergrenze“. Bei hohen Erlösen könnten es auch weniger Verkäufe sein.

In diesem zentralen Punkt widersprechen sich Senat und Koalitions-Fraktionen. Denn SPD-Partei- und Fraktionschef Michael Müller kann sich sogar den Verkauf des gesamten Unternehmens vorstellen. Unmöglich und nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen, kontert Linkspartei-Fraktionschef Stefan Liebich: „Das ist ein Akt der Verzweiflung, aber keine politische Abwägung.“ Sarrazin-Sprecher Matthias Kolbeck hält die Debatte für übertrieben: „Derzeit stehen weder ein Komplettverkauf noch eine Verschmelzung der WBM mit anderen Wohnungsbaugesellschaften auf der Agenda.“

Die Opposition wirft dem Senat Kopflosigkeit vor. „Bis heute fehlt eine wirksame Kontrolle der landeseigenen Wohnungsunternehmen“, sagt die baupolitische Sprecherin der Grünen, Barbara Oesterheld. Die voraussichtlich am kommenden Mittwoch stattfindende Ausschusssitzung solle offen legen, „wer dafür verantwortlich ist, dass Landesvermögen in dreistelliger Millionenhöhe verbrannt worden ist“. Dasselbe fordert der FDP-Haushaltsexperte Christoph Meyer. Die CDU-Fraktion fordert einen sofortigen Verkaufsstopp für kommunale Wohnungsbestände, bis ein Gesamtkonzept für die sechs Wohnungsunternehmen steht.

MATTHIAS LOHRE