Mit voller Härte

Das Amtsgericht Hannoversch Münden greift durch: Jugendstrafkammer verhängt Arrest und gemeinnützige Arbeit für Söhne von Achmed Saado – weil sie handgreiflich gegen die Abschiebung ihres kranken Vaters protestiert hatten

Weil sie sich an Rangeleien bei der Verhaftung und Abschiebung ihres Vaters Achmed Saado beteiligt hatten, sind jetzt zwei Brüder zu Arreststrafen und gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Das Amtsgericht Hannoversch Münden verdonnerte Kodor Saado (19) wegen Körperverletzung in drei Fällen sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu drei Wochen Jugendarrest und 80 Sozialstunden. Gegen den 18-jährigen Mahmoud Saado verhängte das Gericht wegen Körperverletzung in einem Fall eine Woche Arrest und 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit. „Hier wurden zwei Jugendliche verurteilt, die nicht ertragen konnten, dass ihnen ihr Vater genommen wurde“, kommentierte gestern der Göttinger Arbeitskreis Asyl das Urteil.

Bei der Festnahme von Achmed Saado am 12. Juni 2005 war es vor der Wohnung der Familie in Ossenfeld bei Göttingen zu Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen, Demonstranten und Polizisten gekommen. Dabei hatte sich der „dramatische Einsatz“ nach Darstellung der Polizei eher zufällig entwickelt. Die Beamten hätten ursprünglich wegen eines Trickdiebstahls in Hannoversch Münden ermittelt, einer der Söhne Saados sei verdächtig gewesen. Bei der geplanten Hausdurchsuchung in Ossenfeld habe man dann den mit Abschiebehaftbefehl gesuchten Achmed Saado angetroffen.

Der 46jährige, dem Ärzte schon zuvor Suizid-Gefährdung attestiert hatten, hielt sich ein Messer an die Kehle und drohte, sich das Leben zu nehmen. Die Polizisten zogen sich daraufhin zunächst aus dem Haus zurück und riegelten den Zugang ab.

Als ein dreijähriger Enkel Saados durch die Absperrung zu dem Gebäude lief, seine Mutter ihm folgte und beide von Beamten festgehalten wurden, eskalierte die Situation. Die Saado-Söhne gingen dazwischen, „es gab eine richtige Schlägerei“, erinnern sich Augenzeugen. Ein Sohn sei am Auge verletzt worden, ein Polizist habe Tritte gegen den Kopf erhalten.

Erst nach Eintreffen eines Sondereinsatz-Kommandos und auf Drängen seiner Rechtsanwälte ließ sich Saado abführen. Auf der Wache brach der 45-Jährige zusammen, er musste die Nacht in der Universitäts-Klinik verbringen.

Wenige Tage später erfolgte der nächste Polizeieinsatz gegen die Familie. Die Beamten brachen die Haustür auf und nahmen fünf Brüder, unter ihnen Kodor und Mahmoud, fest. Sie wurden auf der Wache erkennungsdienstlich behandelt und nach eigenen Angaben auch gefesselt und geschlagen. Einen weiteren Bruder verhafteten Beamte in Göttingen. Der Vorwurf: Gefährliche Körperverletzung.

Die Familie Saado war vor rund 20 Jahren aus dem Libanon nach Deutschland geflohen. Vier der sieben Kinder wurden hier geboren. Lange Zeit galt die Staatsangehörigkeit der Familie als ungeklärt. Der Landkreis Göttingen geht dagegen von einer türkischen Identität aus und beschuldigt die Flüchtlinge, diese verschleiert zu haben. Die Betroffenen stammen nach eigenen Angaben aber von der Arabisch sprechenden Minderheit der Mahalmi ab, die vor Generationen im Südosten der Türkei lebte und von dort in den Libanon auswanderte. In Bremen und Südniedersachsen droht einigen hundert Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Libanon die Abschiebung.

Achmed Saado wurde inzwischen in die Türkei ausgeführt. Dort sei er zum Militärdienst eingezogen worden, berichteten gestern Unterstützer. Um die Altergrenze einzuhalten, hätten ihn die Behörden kurzerhand sieben Jahre jünger gemacht. „Dass er demzufolge seinen ältesten Sohn mit elf Jahren gezeugt hätte, kümmert niemanden“, so Volker Nüsse vom Arbeitskreis Asyl. Reimar Paul