Dünger aus dem Autoauspuff

Der 3-Wege-Katalysator reduziert zwar den Rußausstoß und sorgt dafür, dass weniger Stickoxide in die Luft geblasen werden. Doch stattdessen entstehen beträchtliche Mengen an Ammoniak, das normalerweise zur Herstellung von Dünger genutzt wird

„Niemand traute sich bislang,die Katalysatoreffekteinfrage zu stellen“

VON CLAUDIA BORCHARD-TUCH

Autos mit 3-Wege-Katalysator sind längst nicht so umweltfreundlich wie bislang angenommen. Zusammen mit dem TÜV maßen Botaniker der Bonner Universität die Abgase von 30 Autos mit Katalysator – und stellten fest: Aus den Fahrzeugen kommt Ammoniak heraus, ein stechend riechendes Gas, das vornehmlich bei Kuhmist entsteht.

Bereits vor über zehn Jahren war den Botanikern aufgefallen, dass in den Städten an Mauern und Bäumen plötzlich Stickstoff liebende Pflanzen auftauchten – wie beispielsweise ein Moos namens Orthotrichum diaphanum oder die Gelbflechte. All diese Pflanzen mögen die Landluft und wachsen auf den Dächern von Kuhställen. „Wir haben uns gefragt, was die Moose und Flechten auf einmal in die Stadt trieb“, berichtet Jan-Peter Frahm, der Leiter des Projektes.

Auffallend war, dass die Pflanzen häufig an stark befahrenen Straßen wuchsen. Nach einiger Zeit gerieten die Autoabgase in Verdacht, das Düngemittel Ammoniak zu liefern. Daher maßen die Bonner Wissenschaftler zusammen mit dem TÜV die Abgase von 30 Autos mit Katalysator. Das Ergebnis überraschte selbst die Fachleute, berichtet Frahm. „Alle Pkws pusteten Ammoniak in die Luft – und das in Konzentrationen, die man zum Teil bereits mit der Nase wahrnehmen konnte.“ Auf bis zu 25 ppm (parts per million) kamen die Werte bereits im Leerlauf. Bei höheren Drehzahlen erreichten sie das Drei- bis Zehnfache. Gemessen wurde direkt an der Auspuffspitze. „Da Ammoniak nur eine begrenzte Nahwirkung hat und sich schnell verdünnt, geht davon eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit nicht aus“, stellt Frahm fest.

Bisher habe niemand ernsthaft über die Möglichkeit nachgedacht, dass Drei-Wege-Katalysatoren Ammoniak in nennenswerter Menge produzieren könnten, erklärt Frahm. Dabei sei es durchaus vorstellbar, dass es bei einem Absinken der Temperatur im 3-Wege-Kat dort zu einer Art Haber-Bosch-Verfahren kommen könne, bei dem sich Stickstoff und Wasserstoff zu Ammoniak verbinden.

„Der Katalysator ist eine heilige Kuh“, stellt Frahm fest. „Niemand traute sich bislang, die Katalysatoreffekte infrage zu stellen.“ So sind die erhöhten Ammoniakwerte und der damit verbundene Düngungseffekt in den Großstädten bereits bekannt, und es gab aufgrund von Messungen in Schweizer Tunneln schon in den vergangenen Jahren deutliche Hinweise, dass der Ammoniakausstoß mit dem Pkw-Verkehr zusammenhängen müsse. Es hat jedoch bisher niemand die Frage gestellt, ob es einen Zusammenhang mit den Katalysatoren geben könnte.

Bei den Katalysatorenherstellern stieß Frahms Studie nur auf geringes Interesse. „Sie erklärten, dass sie sich strikt an die Vorschriften halten“, berichtet Frahm. „Aber in den Bestimmungen stehe nichts über Ammoniak.“ Frahm ergänzt: „Dies zeigt, dass es problematisch sein kann, sich gänzlich auf Vorschriften oder Richtwerte zu verlassen. So wird von politischer Seite oft die Messung irgendwelcher Abgaswerte angeordnet, die wenig brauchbar sind.“

Offenbar sind es die Veränderungen in der Natur selbst, mit denen umweltschädliche Einflüsse am besten erkennbar sind. „Wir Biologen gehen hinaus und suchen nach diesen Veränderungen“, erklärt Frahm. „Jede Veränderung hat ihren Grund. Und wenn wir den herausgefunden haben, dann ist auch seine Messung kein Problem.“

So wurde offenbar lange verkannt, dass die Wälder immer mehr veröden. „Die Düngung ist zurzeit so hoch, dass sie nur noch von wenigen Moos- und Flechtenarten toleriert wird“, sagt Frahm. „Die anderen halten das gar nicht aus.“ Auch Blütenpflanzen, die Stickstoff anders als Moose und Flechten nicht aus der Luft aufnehmen, seien gefährdet: Ammoniak verbinde sich mit den Stickoxiden in der Luft zu Ammoniumnitrat, einem häufig verwendeten Dünger. Und mit dem Regen käme der Dünger dann in den Boden.

Die Folge ist das Aussterben seltener Pflanzenarten, die durch „Stickstoffanzeiger“ wie Brennnessel oder Brombeere ersetzt werden. Wuchs früher am Rand des Waldes ein kleiner Brombeersaum, erreichen die Brombeersträucher heute zumeist eine stattliche Höhe. Die Überdüngung ist auch an der Fadenalge erkennbar, die auf den Baumstämmen wächst. Zwar gab es auch bereits in früheren Zeiten an Stellen, an denen die Hunde pieselten, grüne Veralgungen. Jetzt wächst die Alge jedoch in Kopfhöhe.

„Der Katalysatoreffekt wird schöngeredet. Man hat eine Substanz gegen eine noch viel wirksamere ausgetauscht, denn Ammoniak wird fünfmal so gern aufgenommen wie die Stickoxide, die die Katalysatoren vermeiden sollen“, hat Frahm erkannt.

Luftmessungen, die die Ammoniakkonzentrationen regelmäßig erfassen, kennt man in Deutschland nicht. Zwar gibt es EU-Grenzwerte, doch diese gehen lediglich von Durchschnittswerten pro Jahr und Land aus. Die im Jahr 2009 in Kraft tretende Abgasnorm Euro-5 reduziert zudem den Stickoxidgrenzwert nur minimal. Offenbar wird dabei aber ein Problem übersehen: Ab 2010 gelten EU-weit verschärfte NOx-Immissionsgrenzwerte, die nur dann einzuhalten sind, wenn schmutzige Diesel-Fahrzeuge aus den Städten verschwinden. Damit sind flächendeckende Fahrverbote für Dieselstinker vorprogrammiert.