Hamas? Putin, übernehmen Sie!
: KOMMENTAR VON KARIM EL-GAWHARY

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hält den Boykott aufrecht. Bei seiner Nahostreise wird er sich zwar mit Israelis und Palästinensern treffen, nicht aber mit denen, die von den meisten Palästinensern gewählt wurden: Ein Treffen mit Hamas-Politikern steht nicht auf seinem Programm.

„In einem halben Jahr werden sie alle mit uns sprechen“, hatte ein Hamas-Politiker nach dem erdrutschartigen Wahlsieg der Islamisten kommentiert, wohl wissend, dass seine Partei weiterhin auf der EU-Liste als Terrororganisation verzeichnet ist. Es scheint, er hat Recht gehabt – nur dass es nicht so lange dauert.

Den Türöffner spielt nun der russische Präsident Putin. Der hat die Hamas bereits zu Gesprächen nach Moskau eingeladen. Washington fordert nun gewisse Ergebnisse der Gespräche, und Frankreich unterstützt Russland. Damit hat die Hamas den Fuß auch in der Tür zur EU. Und stillschweigend akzeptieren alle Putins Motto, Gespräche nicht erst an Bedingungen zu knüpfen, sondern die Gespräche so zu führen, dass die Bedingungen erfüllt werden können. Eine politisch eingebundene Hamas ist allemal besser als eine ausgeschlossene militante Organisation, die die Mehrheit der Palästinenser hinter sich weiß.

Allen Seiten wird nun Pragmatismus abverlangt. Die Hamas hat letzte Woche in Kairo die Möglichkeit eines lang andauernden Waffenstillstandes mit Israel erörtert. Die magischen beiden Aussagen, die Verkündung des Endes des bewaffneten Kampfs sowie die Anerkennung Israels, kommen den Hamas-Führern noch lange nicht über die Lippen. In Moskau wird es um einen ersten Schritt gehen: vor allem, Hamas an bereits unterzeichnete palästinensische Verträge zu binden.

Die Europäer können sich ihren Hamas-Boykott nicht weiter leisten, weil er auch den Boykott palästinensischer Institutionen bedeutet. Die Hamas kontrolliert jetzt die letzten Reste des Osloer Friedensprozesses, die Palästinensische Autonomiebehörde und das Parlament. An deren Zusammenbruch ist niemandem gelegen. Mit seiner Einladung hat Putin dieses Problem entschärft. Und Steinmeiers Besuch in Palästina ist insofern bedeutungslos.

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