Auf Schusters Spuren

Viele Junioren von TeBe werden von Top-Fußballclubs umworben, einer sogar vom Nobelverein Atletico Madrid

Peter Antony holt tief Luft, als ob er ahnen würde, dass die zu intonierende Lobeshymne auf den vereinseigenen Nachwuchs länger dauern könnte als gewöhnlich. Denn was momentan im Charlottenburger Mommsenstadion abläuft, halten selbst altgediente Borussen nicht mehr für normal. „Unsere Junioren machen uns viel Spaß. Sie sind unser Aushängeschild“, verkündet Vorstand Antony.

Er spricht nicht nur als Leiter des Befangenen-Chores, der die Arbeit unter eigener Ägide lobt, sondern beschreibt überraschend nüchtern, was die Konkurrenz in Erstaunen versetzt: Der TeBe-Talentschuppen produziert neuerdings Hoffnungsträger wie am Fließband für das Profigeschäft. Und das, obwohl die 1. Herrenmannschaft des Vereins, der in den 70er-Jahren in der Bundesliga agierte, nach dem Absturz aus dem bezahlten Fußball nur noch in der Amateur-Oberliga zu Werke geht.

Jetzt tragen begabte Teenager den Namen TeBe in die weite Fußball-Welt hinaus: Robert Schedlinski wechselt zu Werder Bremen, Änis Ben-Hatira wurde vom Hamburger SV verpflichtet, wohin ihm Fatih Altundag folgen könnte, wenn er nicht Hannover 96 den Vorzug gibt. Das Duo Metin Calmak und Nayif Aykut hat Kaufinteresse beim türkischen Erstligisten Sivasspor geweckt.

Das große Los scheint Mehmet Aydin gezogen zu haben. Der 17-jährige Stürmer hat im Januar beim Probetraining des spanischen Nobelclubs Atletico Madrid offenbar überzeugen können. „Mehmet hat mir erzählt, dass er von Atletico einen Vertrag angeboten bekommen hat und diese Chance auch wahrnehmen will“, berichtet Marcus Schatte, Trainer der Bundesliga-Junioren von TeBe. Der letzte große Deutsche, der beim einstigen Weltpokalsieger aus Madrid am Ball war, hieß Bernd Schuster.

Wie immer, wenn es eines ihrer Eigengewächse zu einem namhaften Verein zieht, werden die TeBe-Verantwortlichen dem Reiselustigen keine Steine in den Weg legen. Vor allem, wenn das Talent so talentiert ist wie Stürmer Aydin. „Mehmet hat das Zeug, den Sprung zu schaffen. Er ist antrittschnell und besitzt einen ausgesprochen guten Torriecher“, berichtet Schatte. Noch eine wichtige Veranlagung hat er bei Aydin entdeckt: „Auch im Kopf stimmt’s bei ihm.“ An der richtigen Einstellung wäre fast Mehmets Exkollege Ben-Hatira gescheitert, als er noch in der Hertha-Jugend spielte. „Bei Hertha“, gesteht der ballgewandte Mittelfeldspieler, „war ich ein kleiner Angeber.“

Erfolgsmodell Sportschule

Schatte kennt seine Schäfchen, denn er arbeitet hauptberuflich als Lehrer für Sport und Politische Weltkunde an der Poelchau-Schule in Charlottenburg. Die hat neben dem jetzigen Hamburger Ben-Hatira auch Aydin besucht. Auf der sportbetonten Penne vermittelt Schatte nicht nur Hirnfutter, sondern gibt auch Sonderschichten im Fußball. Das Poelchau-Modell, als westliches Pendant zu den drei Ostberliner Kaderschmieden (Seelenbinder, Flatow, Coubertin) initiiert, nutzen auch Hertha BSC und kleinere Vereine mit großen Ambitionen.

Die Infrastruktur im Nachwuchsbereich ermöglicht es TeBe, mit einem relativ geringen finanziellen Aufwand von aktuell 150.000 Euro über die Runden zu kommen. Aufgrund der erfreulichen Transferaktivitäten dürfte die sprudelnde Talentquelle auch bald Bares in die Vereinskasse spülen. Für Ben-Hatira hat der Hamburger SV 25.000 Euro gezahlt; falls der Youngster in der Bundesliga eine bestimmte Anzahl von Einsätzen absolviert, wird ein satter Nachschläge fällig. Ein ähnlich guter Deal für TeBe könnte ein Aydin-Wechsel zu Atletico Madrid werden. „Unsere Jugendspieler haben bei uns alle einen Zweijahresvertrag mit der Option für ein weiteres Jahr unterschrieben“, erzählt der für die Jugendabteilung zuständige Aufsichtsrat Willy Kausch. Die Wette gilt, dass die Borussen die Option ziehen, wenn die Spanier wegen eines Aydin-Transfers anklopfen. JÜRGEN SCHULZ