Jailhouse Love

18 Minuten mit dem japanischen Regisseur Takashi Miike – wenig Zeit, um über 70 Filme zu sprechen. Also konzentriert man sich lieber auf „Big Bang Love, Juvenile A“ (Panorama)

VON CRISTINA NORD

„Bitte achten Sie darauf, dass Sie den Film sehen, BEVOR Sie das Interview führen“, steht in der E-Mail an die Journalisten, „aus Höflichkeit dem Regisseur gegenüber.“ 18 Minuten werden mir gewährt, wir treffen uns am frühen Nachmittag in einer Lounge im Hyatt Hotel.

Takashi Miike hat kurzes Haar, er trägt ein apricotfarbenes Sakko, ein olivgrünes T-Shirt und eine passende Hose: eine gute Farbkombination und ein schöner Kontrast zum Nadelstreifen-Anthrazit, das die vielen Empfänge und Partys dominiert. Miikes Augen bleiben hinter der getönten Brille unsichtbar. Er raucht. Wegen der zur Lehne hin abschüssigen Sitzfläche der Sessels sitzen wir vorgebeugt. 18 Minuten sind verdammt wenig Zeit, um über ein so ausuferndes, seltsames und verstörendes Werk wie das Miikes zu reden; die Übersetzung macht die Zeit noch knapper. Bevor ich die nächstliegende aller Fragen stellen kann – die zur Rolle der Gewalt in Miikes Werk –, steht die Presseagentin vor uns und weist freundlich darauf hin, dass die Zeit um ist.

Miike ist einer der produktivsten Regisseure in Japan. Obwohl er erst 45 Jahre alt ist, hat er fürs Kino, für den Videomarkt und fürs Fernsehen fast 70 Filme gedreht. Gut sortierte Videotheken kommen ohne seine Filme nicht aus; auf internationalen Festivals ist er ein gern gesehener Gast, seit er 1997 in Vancouver „Shinjuku Triad Society“ vorstellte. Als die Filmbiennale in Venedig 2004 „Izo“ präsentierte, durfte sie sich zu Recht mit der eigenen Unerschrockenheit brüsten – und die aficionados machte der außergewöhnlich brutale, delirierende Samurai-Film glücklich. Als „The Great Yokai War“ im vergangenen September in Venedig präsentiert wurde, zeigte sich, wie vielseitig, fantasievoll und verspielt dieser Regisseur ist. In Berlin läuft nun „Big Bang Love, Juvenile A“ im Panorama, ein hochgradig stilisierter Gefängnisfilm, eine zarte Liebesgeschichte zwischen dem schüchternen Neuankömmling Ariyoshi und dem harten Gangster Kazuki, inszeniert in einer traumartigen Anordnung, ohne Chronologie, voller Zeitsprünge und Rückblenden. Manchmal öffnet sich ein Spalt im Mauerwerk, ein Spalt in der Narration, und die Figuren schauen einer startenden Rakete zu. Manchmal befinden sie sich auch am Fuß einer Pyramide, dann färbt sich das Bild schwefelgelb, und in der Ferne ist ein Dreifachregenbogen auszumachen. Die Zelle, in der ein großer Teil der Handlung sich entspinnt, hat einen Grundriss, wie ihn Michel Foucault in „Überwachen und Strafen“ beschrieben hat. Ist dort das Gefängnisgebäude als Panoptikum angelegt, so ist es hier die Zelle die kleinste Einheit. Fassbinder und Genet winken aus der Ferne, und auf eine gewisse Art wirkt „Big Bang Love, Juvenile A“ selbst wie ein Film aus den 80ern.

Warum ist das Gefängnis so stilisiert? „Der Film ist ein Low-Budget-Film“, sagt Miike, „wenn man ein Gefängnis realistisch darstellen will, braucht man aber viel Geld. Außerdem ist die Regierung im Augenblick sehr unkooperativ, wenn sie eine Drehgenehmigung für ein Gefängnis erteilen soll. Aber das darf doch nicht heißen, dass man gar keine Filme mehr dreht, in denen ein Gefängnis eine große Rolle spielt!“ Das Team fand die Location „unter einer Kegelbahn, im Keller, ziemlich düster, da haben wir ein Studio aufgebaut.“

Und der seltsame Titel? Wörtlich übersetzt, sagt die Übersetzerin, müsste Miikes Film „Die Liebe der 460 Millionen Jahre“ heißen. Warum dann „Big Bang Love, Juvenile A“? „Ich stand dieser Entscheidung ziemlich kritisch gegenüber. Der Titel kam mir zu stark vor, aber andere aus dem Team meinten, er gefalle ihnen, und es wurde demokratisch entschieden.“

„Big Bang Love, Juvenile A“. Regie: Takashi Miike, Japan 2005, 85 Min.; 17. 2., 22 Uhr, Zoo Palast 1; 19. 2., 14 Uhr, CinemaxX 7