EU und Russland warnen Teheran vor Eskalation

Iran soll Atom-Dialog mit Europa wieder aufnehmen und russischen Vorschlag zur Urananreicherung akzeptieren

WIEN taz ■ Das iranische Nuklearprogramm und die Lage in Nahost nach dem Hamas-Wahlerfolg in Palästina standen gestern im Mittelpunkt der Gespräche von Russlands Außenminister Sergej Lawrow mit der EU-Troika in Wien. Diese besteht aus Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik für die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union, Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und dem Außenbeauftragten Javier Solana.

Bereits Dienstagabend hatte Plassnik auf Ersuchen Teherans ein ausführliches Telefonat mit dem iranischen Außenminister Manouchehr Mottaki geführt. Dabei hatte sie laut einer Pressemitteilung des Ministeriums betont, wie besorgt die EU über die Wiederaufnahme der Urananreicherung in Natans sei. Plassnik habe den Iran aufgefordert, den Anreicherungsprozess wieder einzustellen, schließlich sehe man diesen Schritt als unnötige Eskalation in einer kritischen und entscheidenden Phase der iranischen Atomfrage.

Und auch Russlands Außenminister Lawrow forderte nach seinem Treffen mit der EU-Troika den Iran auf, den Atom-Dialog wieder aufzunehmen. Iran habe „ein Recht auf die friedliche Nutzung der Atomenergie, sobald das Vertrauen“ in die iranische Politik wiederhergestellt sei.

Zugleich lehnte Lawrow Sanktionen gegen den Iran ab. Solche hätten noch nie ein Problem gelöst, so der Minister in Wien. „Unsere Haltung hat sich nicht geändert: Das iranische Atomproblem lässt sich nur von Fachleuten der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEO lösen.“

Russland hat angeboten, eine Vermittlerrolle in dem Atomkonflikt zu übernehmen. So wollen Moskau und Teheran am kommenden Montag ihre Verhandlungen über die Gründung eines russisch-iranischen Konsortiums zur Urananreicherung wieder aufnehmen. Die von USA und EU gehegte Befürchtung, der Iran habe vor, aus seinen Anreicherungsanlagen Uran für eine Nuklearwaffe abzweigen, könnte so ausgeräumt werden.

Das Thema Iran stand gestern auch auf der Tagesordnung des Europaparlaments in Straßburg. In einer Resolution forderten die Abgeordneten Teheran auf, „alle Anreicherungs- und Wiederaufbauaktivitäten in vollem Umfang und auf Dauer“ auszusetzen und den russischen Vorschlag zur Zusammenarbeit bei der Urananreicherung „ernsthaft“ zu prüfen. EU-Innenkommissar Franco Frattini drohte Teheran für den Fall der Fortsetzung der Urananreicherung mit weiteren Schritten der UNO. Einzelheiten nannte er dazu gestern in Straßburg jedoch nicht.

Bei seinem Treffen mit der EU-Troika in Wien sprach Lawrow auch die Rechte der russischsprachigen Minderheit in Estland und Lettland an, da diese nach Ansicht Moskaus unter starkem Assimilierungsdruck stehen. Bei jedem der Treffen EU-Russland gehört auch die Vertiefung der vier so genannten „gemeinsamen Räume“ auf der Tagesordnung. Dabei geht es um die langfristige Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Sicherheit und Gerechtigkeit, äußere Sicherheit sowie schließlich Forschung, Bildung und Kultur. Hierfür existiert eine „Roadmap“, die nach und nach abgearbeitet werden muss. Diskutiert wurde gestern vor allem das Thema äußere Sicherheit.

RALF LEONHARD