Rote Liste wird bald abgeschafft

Geplante Änderung der Vorschriften für stillgelegte Äcker beschneiden Brutmöglichkeiten für gefährdete Arten

„Die Landwirte beziehen die Prämien doch nicht als Dauersubvention“

BERLIN taz ■ Bereits akut vom Aussterben bedrohten Feld-, Wald- und Wiesenvögeln wie Rebhuhn, Kampfläufer oder Uferschnepfen könnte es bald noch schlechter gehen: Eine Bundesratsinitiative der unionregierten Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg könnte auch ihre letzten Zufluchtsorte zerstören: Die beiden Länder wollen die Sperrzeit abschaffen, in der auf den so genannten Stilllegungsflächen nicht gearbeitet werden darf, um den Tieren ungestörtes Brüten zu ermöglichen.

Stilllegungsflächen sind ehemalige Äcker und Wiesen, die nicht mehr genutzt werden und der unter Überproduktion leidenden Landwirtschaft so Prämienzahlungen der EU einbringen. Bedingung: Sie müssen die Flächen in einem „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhalten“ und die Sperrzeiten respektieren. Unpraktisch und überbürokratisch, finden die CDU-UmweltministerInnen der beiden Länder. Sie wollen die Schutzzeit komplett streichen. Wenn der Vorstoß Erfolg hat, hätte sich die Haltbarkeit umweltgerechter Regelungen rekordverdächtig verkürzt.

Bereits seit den 1980er-Jahren sind Flächenstilllegungen ein Instrument der EU-Agrarpolitik, um Getreideüberschüsse abzubauen. Allein in Deutschland werden rund eine Million Hektar nicht mehr für die normale Landwirtschaft genutzt. Etwa 700.000 Hektar davon liegen jedoch tatsächlich brach – und bilden ein enormes Potenzial für den Naturschutz.

Seit dem 1. Januar 2005 macht die „Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung“ konkrete Auflagen für Landwirte, die stillgelegte Flächen subventioniert bekommen wollen: Sie müssen das Land begrünen und das Grünzeug später mähen und auf dem Acker verteilen, im Fachjargon „mulchen“. Mulchfrei bleibt bisher die Sperrzeit, die vom 1. April bis zum 15. Juli dauert.

Viele Bauern plädieren für eine jährliche Mulchpflicht auf allen stillgelegten Flächen. Dabei wollen sie sich aber nicht zeitlich begrenzen lassen – das Ende der Sperrzeit fällt mit dem Beginn der ersten Ernten auf ihren anderen Äckern zusammen.

Als Alternative zum radikalen Zweiländer-Vorstoß, mit der sich am kommen.den Montag der zuständige Bundesrats-Ausschuss befasst, gibt es einen Kompromissvorschlag. Dieser wurde unter Mithilfe des Bundesagrarministeriums erarbeitet und nimmt die Verpflichtung zum jährlichen Mulchen auf. Allerdings verkürzt auch er die Schutzzeit für die Tiere – um einen vollen Monat auf die Zeit vom 1. April bis zum 15. Juni.

Umwelt- und Tierschützer, aber auch Jagdverbände halten beides für fatal. Die Brut- und Nestlingszeit der allermeisten Feldvögel dauere mindestens bis Ende Juli, sagt Haymo Rehtwitsch von der Deutschen Wildtier-Stiftung und rechnet vor: „Auf einem Hektar brüten etwa sieben Paare jeweils mehrere Junge aus. Bei 700.000 Hektar stillgelegter Flächen könnte das maschinelle Mulchen zur falschen Zeit bis zu 10 Millionen Jungvögel vernichten.“ Er fordert ein Komplettverbot des Mulchens. „Die Landwirte beziehen die Prämien doch nicht als Dauersubvention, sondern für Umweltschutzleistungen – und die kann man dann auch von ihnen erwarten“, sagt auch Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes Nabu.

Diese Meinung teilt zumindest ein Umweltminister, der ebenfalls der CDU angehört: Der Saarländer Stefan Mörsdorf hat einen eigenen Antrag vorgelegt. Tenor: Die Sperrfrist muss in voller Länge beibehalten werden. Einbringen will er den Antrag am Montag aber nur, wenn er auch eine realistische Chance für eine Mehrheit sieht. BEATE WILLMS