Feldübung und Abräumkommandos gegen die Seuche

Nach Angaben von Tierärzten greifen die Notfallpläne in Deutschland nicht früh genug. Da überdies die Veterinärämter hierzulande seit den jüngsten Fleischskandalen mit Kontrollen überfordert sind, müssen nun die klassischen Viehdoktoren und praktischen Tierärzte einspringen

BERLIN taz ■ „Hühner schlachten und wegwerfen“ – damit erschöpfe sich der europäische Plan zur Bekämpfung der Vogelgrippe, schimpft Hans-Joachim Götz. Der Präsident des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte (bpt) findet, der Bevölkerung werde nur „vorgegaukelt, dass Deutschland für den Krisenfall gerüstet ist“.

Zwar gebe es Notfallpläne, doch diese „werden nicht schnell genug greifen“, sagt der Tierarzt. Beispiel Niedersachsen: Dort leben 72 Millionen von bundesweit 110 Millionen Geflügeltieren. In den Kreisen Cloppenburg und Vechta stehen die großen Agarfabriken. Tritt dort die Seuche auf, gibt es laut Götz zu wenige Helfer: Die Veterinärämter seien zu dünn besetzt. Wer die Ausbreitung der Grippe verhindern wolle, habe ein großes Programm. Auf jedem Hof der Region müssten die Hühner gefangen und müsse ihr Blut getestet werden. Die Betriebe müssten kontrolliert, abgesperrt und desinfiziert werden. „Da werden 100 Leute gebraucht“, schätzt Götz.

Immerhin sind in deutschen Behörden laut Bundestierärztekammer 3.800 Veterinäre beschäftigt. Aber, so bestätigt Pressesprecherin Margund Mrozek, derzeit seien besonders viele Amtstierärzte in den Schlachthöfen der Republik unterwegs. Seit den jüngsten Fleischskandalen wird häufiger kontrolliert. Da könne es im Fall der Fälle tatsächlich „eng werden“.

Daher bieten sich die praktischen Tierärzte an. 10.700 sind in Deutschland niedergelassen. Meist haben sie aber Kleintierpraxen und behandeln Katzen, Hunde oder Wellensittiche. Die klassischen Viehdoktoren plagen Nachwuchssorgen. Nur 2.400 Ärzte fahren noch von Hof zu Hof, um Schweine, Kühe oder Geflügel zu versorgen. Grippebekämpfer brauchen aber auch kein Hühnerspezialwissen. Nur: Die Veterinäre verlangen ein Pauschalhonorar von 550 Euro am Tag. „Wer Seuchen bekämpft“, erklärt bpt-Geschäftsführer Heiko Färber, „verdient schließlich nichts in seiner Praxis.“ Der Verdienstausfall summiere sich: Um keine Keime zu verschleppen, dürften die Ärzte nach einem Seucheneinsatz 3 Tage lang nicht arbeiten. Wer die Kosten übernehmen soll, weiß Färber jedoch nicht. Da wundert es nicht, dass bislang nur ein Bundesland, Nordrhein-Westfalen, mit der Ärzteschaft eine „Rahmenvereinbarung zum Einsatz von Tierärzten im Krisenfall“ geschlossen hat. Darin verpflichten sich die örtlichen Tierärztekammern etwa, eine Datenbank aufzubauen: Landes- und Kreisbehörden können nach Adressen von Ärzten suchen.

Diese Abmachung bringt nichts, findet Gert Hahne, Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Im Land der Hühnerbarone gibt es stattdessen eine 15-köpfige Task-Force, „ die jeden Stall in kürzester Zeit erreicht“, so Hahne. Die Mitarbeiter seien im letzten Jahr in einer „Feldübung“ trainiert worden – etwa im Desinfizieren von Autos und Schlachten von Tieren. Zudem habe Niedersachsen „Abräumkommandos“. Diese könnten am Tag eine halbe Million Tiere töten, künftig gar eine Million. Das Land hat dazu „Tötungscontainer“ angeschafft. Die Hühner kommen in ein Wasserbad, das unter Strom gesetzt wird. Oder sie werden vergast. Die Kadaver werden in Müllverbrennungsanlagen entsorgt. Hühner schlachten, wegwerfen – „da helfen keine Tierärzte“, sagt Hahne.

HANNA GERSMANN