Teilzeitstelle statt 1-Euro-Job

Anti-Hartz-Aktivisten fordern die Abschaffung der Arbeitsgelegenheiten. Bei diesen sei Missbrauch die Regel. Die Betroffenen sollten richtige Teilzeitstellen bekommen

Von 1-Euro-Jobs hält Thomas Gruner nichts. Der erwerbslose Geisteswissenschaftler spricht aus Erfahrung. Er hat in einem Umweltverband einen solchen Job gemacht – und schlechte Erfahrungen, sagt er. „Die 1-Euro-Jobber verrichteten Tätigkeiten, die denen der fest Angestellten entsprachen.“ Tatsächlich sollen 1-Euro-Jobs, offiziell Arbeitsgelegenheiten genannt, aber zusätzlich sein, um reguläre Beschäftigung nicht zu verdrängen. Die Angestellten des Verbandes seien tagsüber „schon mal für ein paar Stunden beim Inder verschwunden“, während die 1-Euro-Jobber Veranstaltungen vorbereiteten. Wenn diese dann am Abend stattgefunden hätten, habe ein Arbeitstag 16 Stunden gehabt; und am Wochenende habe er Pilzwanderungen im Umland begleiten müssen. Eine Qualifizierung habe er nicht erhalten, obwohl diese in seinem Vertrag gestanden habe.

Für die Berliner Anti-Hartz-Kampagne sind solche Beispiele von Missbrauch mit 1-Euro-Jobs keine Einzelfälle. „Missbrauch ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel“, sagte Kampagnen-Sprecherin Angelika Wernick gestern. Der rechtswidrige Einsatz von 1-Euro-Jobbern werde von den Job-Centern und freien Trägern geduldet oder sogar forciert. 1-Euro-Kräfte würden „wie selbstverständlich für reguläre Arbeiten herangezogen“, Tätigkeitsbeschreibungen gefälscht sowie Umfang, Dauer und Art der Arbeit nur unzureichend vorher festgelegt. Dies sei ein „gesellschaftlicher Skandal“, so Wernick. „Immer mehr Menschen verarmen, mit oder ohne Arbeit.“ Entmündigung und materielle Not von 1-Euro-Jobbern führten zu zunehmendem Druck auf Arbeitnehmer.

Die 1-Euro-Jobs kritisiert auch Uwe Januszewski vom Hauptpersonalrat des Landes Berlin. Diese Jobs dürften nicht zu Lasten von Planstellen gehen. Wie unscharf die Abgrenzung oft ist, skizzierte Januszewski an einem Beispiel. Wenn ein Bezirk 1-Euro-Jobber zur Begleitung von Schulschwänzern einsetzen wolle, werde zunächst kein Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes verdrängt, da es ja keine Planstelle zur Begleitung von Schulschwänzern gibt. „Aber es gab Sozialarbeiterstellen für die Familienbetreuung.“ Diese seien immer weiter abgebaut worden. Anderes Beispiel: Viele Volkshochschulen würden ohne 1-Euro-Jobber gar nicht mehr unterrichten können, so Januszewski. Gleichzeitig würden die Honorarmittel für Lehrkräfte immer weiter gekürzt. „99 Prozent der 1-Euro-Maßnahmen halten wir für falsch.“

Ins gleiche Horn stößt die Anti-Hartz-Kampagne. „Wir fordern die Abschaffung der 1-Euro-Jobs“, so Solveig Koitz von der Kampagne. Statt 1-Euro-Jobs sollten den Betroffenen sozialversicherungspflichtige Teilzeitstellen angeboten werden. Diese ließen sich mit den Mitteln finanzieren, die insgesamt für die 1-Euro-Jobs ausgegeben werden. „Dafür fehlt nur der politische Wille.“ RICHARD ROTHER