18 Millionen Euro für eine Stimme

Verbindlichkeit im Karikaturenstreit: Was will Katrin Göring-Eckardt von der Berliner Akademie der Künste?

„Wo zum Beispiel war die Stimme der Akademie der Künste im Karikaturenstreit?“ So fragte streng Katrin Göring-Eckardt, inzwischen kulturpolitische Sprecherin der Grünen, am Donnerstag im Deutschen Bundestag. Tja, wo war sie? Man hat sie wirklich nicht gehört. Aber hat man sie auch vermisst? Oder hat man überhaupt den Wunsch, eine solche Stimme zu hören?

Es ist doch wohl eher so, dass Katrin Göring-Eckardt, ganz protestantisch-leistungsethisch, hier einen Gegenwert für die öffentliche Förderung einfordert. 18 Millionen Euro bekommt die Berliner Institution. Göring-Eckardt will nun etwas dafür haben. „Fördern und fordern“ war auch in der Sozialpolitik ein unter Grünen-PolitikerInnen beliebter Spruch. Nun haben zwar Teile der Akademie selbst den Beratungsauftrag der Politik zu ihrer eigenen Sache gemacht. Aber man kann dennoch zurückfragen: Wäre die Förderung, so wie Göring-Eckardt sich das Ergebnis vorstellt, gut angelegtes Geld?

Nein, wäre es nicht. An Stimmen zum Karikaturenstreit hat es nicht gemangelt. Im Gegenteil zeigt sich die deutsche Debattenlandschaft von ihrer besten Seite. Als weiterer Diskursbelieferer wäre die Akademie überflüssig. Zumal sich Mitglieder der Akademie durchaus geäußert haben. Günter Grass verglich die Karikaturen mit antisemitischer Hetzpropaganda aus dem Stürmer. Ob es wirklich das war, was Göring-Eckardt vermisste?

Wahrscheinlich schwebte ihr sowieso eher vor, dass die 18 Millionen dann gut angelegt seien, wenn die Akademie ein wenig Verbindlichkeit in dieses Rauschen der Meinungen, Argumente und Perspektiven hineinbringen könnte. Aber wie soll sie das können? Alle Intellektuellen zur Abstimmung antreten lassen? Schnellexpertisen bei Karikaturisten einholen? Dass es „die“ Kultur gibt, vertreten durch die Akademie, die „die“ Politik in aktuellen Debatten beraten könnte, ist nichts weiter als ein Wunschtraum – ein schrecklicher Wunschtraum zumal, zeugt er doch von dem Wunsch nach einer ordentlich formatierten Gesellschaft. Spätestens dann, wenn die Akademie der Künste tatsächlich mit einer Stimme sprechen würde, wären die 18 Millionen Euro kontraproduktiv ausgegeben. Als Diskurspolizei, die die Vielheit der Stimmen bündelt, soll die Akademie ganz gewiss nicht auftreten. Sie kann es auch gar nicht. Man würde einfach nicht auf sie hören.

Zugegeben, was man derzeit von der Akademie kriegt, ist schlecht zu fassen. 150 Arbeitsplätze sind dabei, immerhin. Außerdem eine Touristenattraktion am Brandenburger Tor. Und eine hochmerkwürdige Institution – zu einem Drittel Denkmal ihrer selbst, zu einem Drittel Spielplatz älterer Avantgardisten und zu einem Drittel voller Möglichkeiten. Natürlich kann man an so etwas Ansprüche stellen. Aber doch nicht ausgerechnet den, mehr von dem zu bekommen, was man eh schon hat (Stimmen), oder etwas, was man nicht bekommen kann (Verbindlichkeit). Der höchste Anspruch wäre: dass die Akademie ganz unverwechselbar wird, etwas Eigenes. Dafür wären 18 Millionen prima angelegt. DIRK KNIPPHALS