Unis flirten heimlich rum

Während alle über Exzellenz-Universitäten reden, kommen Kooperationen zwischen den drei großen Berliner Universitäten fast unbemerkt voran – trotz der harten Konkurrenz um Fördermillionen

VON NINA APIN

In den vergangenen Wochen schien die Berliner Hochschullandschaft von einem Geist beseelt, der sonst Fernseh-Casting-Shows zu Eigen ist: Unter dem Motto „Berlin sucht die Super-Uni“ überboten sich Präsidenten und Pressesprecher in markigen Botschaften wie „Freie Universität weiter im Wettbewerb!“, „TU drittstärkste Technische Uni Deutschlands“ oder „HU: Zweiter Anlauf im Elitewettbewerb mit Maßnahmenbündel“.

Anlass für den neuen Sportsgeist ist die von Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG) und Wissenschaftsrat ausgeschriebene Exzellenzinitiative. 1,9 Milliarden Euro sollen bundesweit in ausgewählte Graduiertenschulen und Spitzenforschungsprojekte („Exzellenzcluster“) fließen. Wer ein Zukunftskonzept bewilligt bekommt, darf sich „Eliteuniversität“ nennen und streicht weitere Mittel ein.

Voraussetzung dafür ist die herausragende Bewertung mindestens einer Graduiertenschule und eines Exzellenzclusters. FU, TU und HU besannen sich auf ihre Stärken und reichten interdisziplinäre Großprojekte mit klangvollen Namen wie „Kreative Zerstörung“ (HU) oder „Governance in a Globalized World“ (FU) ein. Am 20. Januar traf die Kommission eine Vorauswahl aus den Antragskizzen. Als einzige Berliner Uni zog die FU ein Zukunftsprojekt an Land: Ihre Idee einer „International Network University“ bekam überraschend den Zuschlag vor der „Humboldt Research School“ der HU.

In der Mathematik ist die Idee der universitätsübergreifenden Zusammenarbeit längst Berliner Realität. 2002 schlossen sich die drei Universitäten im DFG-Forschungszentrum „Matheon“ zusammen. Die Kooperation soll nun um die Graduiertenschule „Berlin Mathematical School“ erweitert werden.

Sprecher des im ersten Antrag erfolgreichen Projekts ist TU-Professor Günter M. Ziegler. „Die Berliner Mathematiker arbeiten hervorragend zusammen“, findet er. Es sei nur konsequent, auch bei der Nachwuchsförderung auf Vernetzung zu setzen. „Wir brauchen einen einheitlichen Auftritt, um die besten Doktoranden aus aller Welt nach Berlin zu holen“, sagt Ziegler. Das Lehrpersonal wird sich zu gleichen Anteilen aus Professoren der drei Universitäten zusammensetzen. Bei offenen Vorlesungen sollen auch die ganz normalen Studenten von der gebündelten Exzellenz profitieren können. „Wir wollen keine elitäre Abschottung, sondern insgesamt eine Hebung des universitären Niveaus“, so Ziegler.

Unter Geisteswissenschaftlern tut man sich weniger leicht mit der Exzellenz: Nur 10 Prozent der erfolgreichen Clusteranträge stammen aus diesem Bereich, die Vernetzung in Großprojekten ist auch nicht überall sinnvoll. Winfried Menninghaus, Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften an der FU, beteiligt sich nur widerwillig an der zweiten Exzellenzrunde. Für ihn bedeuten die Sitzungen, in denen gemeinsam mit Kollegen Antragsprosa verfasst wird, einen Verlust wertvoller Zeit. Er kritisiert, dass „Exzellenz“ zunehmend an der Zahl verwendeter Drittmittel und nicht mehr an der Forschungstätigkeit gemessen werde. Den Antrag auf eine Graduiertenschule stellt der Professor dem Nachwuchs zuliebe: „Nur so können wir als Uni gesicherte Promotionsstipendien anbieten.“ Etwas Positives kann er der Exzellenzdebatte immerhin abgewinnen: „Die Zeit des unsinnigen Konkurrierens zwischen FU und HU ist vorbei“, glaubt Menninghaus.

Sollten alle bisher gestellten Anträge erfolgreich sein, bekommen die Berliner Unis fünf Jahre lang rund 60 Millionen Euro jährlich von der DFG, zusätzlich sollen 20 Prozent, also etwa 15 Millionen Euro, aus der Landeskasse beigesteuert werden. Doch bevor sich die Universitäten über die neue Großzügigkeit des Wissenschaftssenators freuen, sollten sie einen Blick in die soeben geänderten Hochschulverträge werfen: Dort ist von einer Mittelkürzung von 20 Millionen Euro im Jahr die Rede. Da ist es doch tröstlich, dass Exzellenz nicht alles ist.