Generalangriff der DVU auf Sachsen-Anhalt

Bekannte Werbestrategie und neue Töne bei der Werbung um Frustwähler. Besonderes Ziel: die ganz Jungen

DRESDEN taz ■ Würde am 26. März in Sachsen-Anhalt nach der gegenwärtigen Präsenz der Plakate entschieden, wäre die Deutsche Volksunion DVU Wahlsieger. Vor allem im ländlichen Raum dominiert ihre Werbung.

Auf den ersten Blick verläuft der Wahlkampf der Partei des Münchner Verlegers und Immobilienunternehmers Gerhard Frey so wie 1998 und 2002 auch. Aus dem Nichts taucht die DVU plötzlich auf, die sonst kaum über feste Strukturen verfügt. Mit immensem finanziellem Aufwand – die Angaben schwanken zwischen 0,5 und 1,5 Millionen Euro – wird plakatiert und werden Werbespots geschaltet.

In diesem Jahr fallen dennoch einige Besonderheiten auf. Da ist zunächst die speziell an Jungwähler gerichtete Briefkampagne. David Begrich vom landesweiten Verein „Miteinander“, der für Toleranz und gegen rechts agiert, hält sie für „ganz gefährlich“. Die Landeszentrale für Politische Bildung dementierte Gerüchte, wonach die Ergebnisse der jetzt anlaufenden „U 18-Wahlen“ wegen erschreckender nationalistischer Neigungen unter Jugendlichen nicht veröffentlicht werden sollten.

Erstmals präsentiert ein Fernsehwerbespot der DVU auch Köpfe. Nobel und smart gibt sich Spitzenkandidat Ingmar Knop, ein 30-jähriger Rechtsanwalt aus Dessau, der auch als Gastredner beim Nazi-Aufmarsch zum Dresdner Zerstörungsgedenken am 11. Februar sprach. Ein Lehrer, ein Dachdecker und ein Kunstglaseur appellieren dagegen mit „Schnauze voll“-Sprüchen an den vermuteten Generalfrust. „Jede Stimme für die DVU ist ein Tritt in den Hintern der Herrschenden“, ruft Glaser Frank Rabach. „Sachsen-Anhalt, mach jetzt den Bären in Dir wach“, fordert ein weiterer Werbespot.

Auf ihren sonst recht leeren Internetseiten gefällt sich die DVU in der Rolle des „Knüppel aus dem Sack“. Hier gibt es Parallelen zum erfolgreichen Wahlkampf der NPD in Sachsen 2004, wenn etwa arbeitslosen Deutschen Billigarbeiter aus dem Osten gegenübergestellt werden.

Makabrer Gipfel der Fernsehwerbung ist ein Spot, der Parteichef Frey in die Nachfolge von sozialdemokratischen Führern stellt. August Bebel etwa, „ein großer nationaler Sozialist“, habe „das Deutsche Reich von der Maas bis an die Memel“ gewollt. So geht es mit Friedrich Ebert, Kurt Schumacher und Willy Brandt weiter. „Die DVU kämpft für das Vermächtnis der sozialdemokratischen Patrioten“, lautet Freys Pointe. 1972 hatte die DVU als Verein noch mit der Parole „Willy Brandt – Emigrant – an die Wand!“ geworben.

Die massive Kampagne der DVU verunsichert offenbar einige demokratische Parteien. David Begrich vermisst im 2005 gegründeten parteiübergreifenden „Netzwerk für Demokratie und Toleranz“ eine klare Strategie gegen die rechte Gefahr. Vielmehr streite man sich mit dem hartnäckigen Blick nach links über Extremismusdefinitionen. Bis zu 7 Prozent rechtsextremes Wählerpotenzial stellte das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap fest.

„Aufwerten oder ignorieren?“, verweist SPD-Partei- und Fraktionssprecher Theo Struhkamp auf das Dilemma einer öffentlichen Auseinandersetzung mit Rechtsextremen vor Wahlen. In Sachsen hatten Kampagnen gegen die NPD in letzter Minute den Nazis noch Stimmengewinne gebracht. Struhkamp registriert im Gegensatz zu 1998, als die DVU mit 12,9 Prozent in den Landtag einzog, aber keine ausgeprägte „Schnauze voll“- oder Wechselstimmung. Er vertraut auf das kollektive Gedächtnis, das den Zerfall der damaligen Landtagsfraktion nicht vergessen habe.

Insofern sei die Absprache zwischen NPD und DVU positiv zu werten: Sie verhindere ein Antreten der besser organisierten NPD. MICHAEL BARTSCH